Neue Stolpersteine in Hannover

Daniel Bachrach mit seiner Frau. Sie reisten zur Stolpersteinverlegung aus Haifa/Israel an.
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  • Daniel Bachrach mit seiner Frau. Sie reisten zur Stolpersteinverlegung aus Haifa/Israel an.
  • hochgeladen von Bernd Sperlich

München will sie nicht auf öffentlichem Grund, in Hannover wurden schon über 300 kleine Messingplatten verlegt. Am 20. November 2015 versenkte der Künstler Gunter Demnig auf Initiative „Städtische Erinnerungskultur Hannover“ weitere 28 Stolpersteine in die hannoversche Erde.

Der Fokus soll auf 5 Verlege-Stellen gelegt werden.

Stadtbezirk Linden-Limmer: Minister-Stüve-Straße 4,
4 Stolpersteine für die Mitglieder der jüdischen Familie Sock.

Adolf Sock, Jahrgang 1884, lebte mit Ehefrau Gertrud und den Kindern Marianne und Hans seit 1925 in Linden, Minister-Stüve-Straße 4. Apotheker Sock betrieb 2 Drogerien. Eine in der Deisterstraße 8 (Schwarzer Bär), Geschäftsaufgabe 1933, die andere in der Steintorstraße 22, Zerstörung des Geschäfts in der Reichspogromnacht 1938. Ende Mai 1939 wanderte die Familie nach Brüssel in Belgien aus. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht erfolgte im August 1942 – über das Lager Mechelen – die Deportation nach Auschwitz. Dort fanden alle vier Familienmitglieder den Tod.

Stadtbezirk Mitte: Lenaustraße 11, 1 Stolperstein für die Jüdin Margarete Scheele.

Zur Verlegung kam die Enkelin Vera Stiller aus Wangen im Allgau. Sie berichtete aus dem Leben ihrer Großmama, die 1890 als Margarete Samuel in Hannover das Licht der Welt erblickte. Glückliche Jugend in der Sedanstraße 37. In erster Ehe mit Josef Schellmann verheiratet, 1912 Geburt des Sohnes Hans. Nach dem Scheitern der Ehe im Jahr 1928, heiratete Margarete den Markthändler Dietrich Scheele, Wohnung in der Seilerstraße 26. Nach dessen Tod im Jahr 1939 Umzug in die Lenaustraße 11 (26.4.1940).
Im Jahr 1942 Deportation nach Theresienstadt. Nach der Befreiung des Lagers kehrte Margarete Scheele im Juni 1945 nach Hannover zurück und sollte noch 31 Jahre leben.

Stadtbezirk Mitte: Grotefendstraße 4, drei Solpersteine für Bernhard, Julie und Adolf Bachrach.

Stadtbezirk Mitte: Postkamp 18 (früher Klagesmarkt 7), zwei Stolpersteine für Rudolf und Bertha Bachrach.

Familienoberhaupt Bernhard Bachrach wurde 1859 im Nordhessischen geboren. Verheiratet mit Julie geb. Herz.
Die Kinder Siegfried, Friedrich, Adolf, Rudolf, Hildegard und Walter wurden zwischen 1887 und 1898 geboren. 1906 Bezug der Wohnung in der Grotefendstraße 4. Danach weitere Wohnadressen der Familienmitglieder.
Das Schicksal der Familie Bachrach „Ein Stammbaum in Form einer Sanduhr, mit einem Hals so eng wie ein einziges Körnchen Sand“ (Daniel Bachrach):

Familienoberhaupt Bernhard: 1942 Deportation nach Theresienstadt, dort ermordet 18.11.1942.
Ehefrau Julie: Siehe Ehemann Bernhard, Tod > 20.11.1942
Sohn Siegfried: Starb im 1. Weltkrieg (27.2.1915) als deutscher Soldat an der französischen Front.
Sohn Friedrich: Wurde nach Aussage von Daniel Bachrach in das KZ Buchenwald deportiert und kam dort mit seiner Frau Adele und Sohn Walter zu Tode (Stolperstein in Darmstadt).
Sohn Adolf: Blieb Junggeselle, am 15.12.1941 nach Riga deportiert und dort ermordet.
Sohn Rudolf: Auch Deportation nach Riga, fand mit seiner Frau Bertha geb. Lewin dort den Tod.
Tochter Hildegard: Emigrierte 1937 mit ihrem Ehemann Alfred Ehrlich nach Finnland, später über Schweden nach Brasilien. Nach dem Tod des Ehemannes wurde Israel ihre neue Heimat
Sohn Walter: Emigrierte 1933 mit seiner zukünftigen Frau nach Palästina. Das Paar bekam einen Sohn, den sie Daniel nennen.
Daniel ist heute ein in Ehren leicht ergrauter Herr und kam mit seiner Frau zur Stolpersteinverlegung aus Haifa/Israel angereist. Tief bewegt, aber mit versöhnlichen Worten ohne Hassgefühle, ließ Daniel Bachrach das Leid seiner Familie noch einmal Revue passieren.

Stadtbezirk Mitte: Gerberstraße 6, 1 Stolperstein für Eduard Lintner, Verfolgtengruppe > Opfer der Krankenmorde.

Eduard Lintner, 1876 in Witten a. d. Ruhr geboren, wuchs in einer katholischen Familie auf und erlernte das Schlosserhandwerk. 1901 heiratete er die Landwirtstochter Elisabeth Schmidt, die ihm 9 Kinder gebar. 1909 zog Eduard Lintner mit seiner Familie nach Hannover und arbeitete zunächst als Maschinist an der Technischen Hochschule Hannover. Nach dem 1. Weltkrieg, Anfang der 1920-er Jahre, betrieb die Familie ein Lebensmittelgeschäft. Bald darauf erkrankten beide Eheleute und begaben sich in psychiatrische Behandlung.
Eduard Lintner ließ sich in der Heil- und Pflegeanstalt Hildesheim behandeln, Elisabeth Lintner starb mit 52 Jahren bei einem Aufenthalt in der Nervenklinik Langenhagen. Für den Witwer gab es kaum Hoffnung auf Heilung. Am 9. April 1941 wurde er im Rahmen der Nazi-Euthanasie-Maßnahmen zunächst nach Eichberg (Hessen) in die dortige Landesheilanstalt gebracht, später, am 20. Mai 1941, Verlegung in die Landesheilanstalt (Tötungsanstalt) Hadamar (Hessen). In der Regel wurden die Patienten am Ankunftstag in die Gaskammern geschickt, die sich im Keller der Anstalt befanden. Somit ist der 20. Mai 1941 als Todestag von Eduard Lintner anzusehen.
Heute verkündet die Inschrift eines Grabsteines auf dem Stöckener Friedhof: „Hier ruhen in Gott unsere lieben Eltern Elisabeth Lintner, geb. Schmidt und Eduard Lintner“. Als Todestag von Eduard Lintner ist der 5. 6. 1941 angegeben. Dr. Karljosef Kreter, Leiter Erinnerungskultur Hannover, meint, Todestag und Todesursache (Lungentuberkulose) wurde von den NS-Behörden im Beerdigungsbuch für den Stadtfriedhof Stöcken bewusst falsch eingetragen, um den Mord zu verschleiern.

Abschließend noch ein Hinweis: Gelder werden knapp.

Wer für die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteines spenden möchte, wende sich bitte an Gabriele und Frank Lehmberg, Deutsch-Israelische Gesellschaft. > Näheres: siehe Fotostrecke, letzter Beleg.

QUELLE: Landeshauptstadt Hannover, Städtische Erinnerungskultur, Rundestraße 6, „Die Geschichte einer Familie“, Aufzeichnungen von Daniel Bachrach.

Bürgerreporter:in:

Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld

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