Geschichtliches aus Anderten: Grausiger Fund vor 94 Jahren

Die Reste eine Frau vom frühmittelalterlichen Gräberfeld in Anderten. Im Bauchraum lagen noch die Knochen ihres ungeborenen Kindes. Das Foto durfte ich seinerzeit mit freundlicher Genehmigung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover aufnehmen.
  • Die Reste eine Frau vom frühmittelalterlichen Gräberfeld in Anderten. Im Bauchraum lagen noch die Knochen ihres ungeborenen Kindes. Das Foto durfte ich seinerzeit mit freundlicher Genehmigung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover aufnehmen.
  • hochgeladen von Jens Schade

Der Boden im Südosten Hannovers bietet so manche Überraschung. Als Arbeiter vor rund 94 Jahren – man schrieb das Jahr 1919 – in Anderten die Schaufel ansetzten, machten sie eine grausige Entdeckung. Eigentlich wollte sie ja nur die Hindenburgschleuse bauen. Doch sie stießen auf menschliche Skelette. Ohne es zu wissen, hatten sie auf einen uralten Friedhof gegraben.

Der Fund von Anderten machte Geschichte und den heutigen hannoverschen Stadtteil in der Archäologie berühmt. Das Gräberfeld von der Hindenburgschleuse zählt zu den wichtigsten archäologischen Quellen des frühen Mittelalters. So zwischen dem sechsten und neunten Jahrhundert datieren die Wissenschaftler die Überreste unserer germanischen Vorfahren. Rund 129 Körpergräber und sechs Pferdebestattungen konnten erforscht werden; Grabbeilagen wie Schwerter, Lanzenspitzen und Schmuck gelangten für die Nachwelt ins Museum.

Der gute Zustand der Skelette erlaubte weitere Untersuchungen. Das Ergebnis überrascht: Die Anderter wurden damals schon relativ alt, so zwischen 30 und 50 Jahren liegt der Schnitt. Einzelne Personen konnten sogar die 70 erreichen. Jung verstarb hingegen eine Frau. Sie war schwanger als sie starb. Die Archäologen entdeckten die Knochen des Babys zwischen den Resten der Mutter.

Die Erde im Südosten barg noch mehr urgeschichtliche Kostbarkeiten. Vom Urnenfriedhof in Bemerode habe ich ja schon berichtet. Es gibt aber weitere Funde. Aus der Jungsteinzeit (etwa 5500 bis 1800 v. Chr.) kamen in Anderten Steinbeile und Steinäxte sowie landwirtschaftliche Geräte wie eine Flachhacke und eine Spitzhaue wieder ans Tageslicht. In Wülferode wurde ein Flintdolch am Brinksoot gefunden.

Sogar ein mächtiges Großsteingrab, wie sie aus der Lüneburger Heide bekannt sind, gab es einst in Kleefeld. Das Hünengrab mit dem Namen „Hüner Brink“ lag in der Nähe des heutigen Annabades. Doch unsere Ur-Urgroßväter hatten noch nicht viel vom Denkmalschutz gehört. 1851 transportierten sie die schweren Steine zwecks Verwendung im Straßenbau ab.

Die Serie „Geschichtliches aus der Südstadt“ ist beendet. Doch nicht nur im Südstädter Maschseekurier bin ich der Stadtteil-Geschichte nachgegangen. Außer dem Maschseekurier und dem heute noch existierenden Maschseeboten (für den hannoverschen Stadtbezirk Döhren-Wülfel) erschienen im selben Verlag zeitweise auch noch andere Stadtteil-Zeitungen: der Tiergarten-Blick, das Nordstadt-Echo, der Beeke-Blick und im Raum Badenstedt/Davenstedt ein Ableger des Ronnenberg-Blicks. Manchmal war diesen Titeln kein langes Leben beschieden. In einigen Ausgaben aber erschienen Beiträge zur Historie des jeweiligen Ortes. Die einzelnen Hefte sind natürlich schon lange vergriffen und vergessen. Auch wenn diese damaligen Artikel keine zusammenhängende Geschichte der Stadtteile ergeben, sondern nur einige wenige Aspekte schlaglichtartig beleuchten, sollen nun diese Geschichten in loser Folge nach und nach bei myheimat veröffentlicht werden. Bestimmt interessieren sie ja den einen oder anderen myheimat-User. Denn Heimatgeschichte ist immer aktuell und nie von gestern. Dieser Beitrag erschien im Tiergarten-Blick Nr. 2/1995. Ich habe nur die Anzahl der Jahre in der Überschrift angepasst.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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