Große Frage: Sind Myheimat-Bürgerreporter eigentlich auch „Vertreter der Presse“?

Heute wird einmal der Frage nachgegangen, ob Myheimatler "Vertreter der Presse" im Sinn des deutschen Presserechtes sind.
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  • hochgeladen von Jens Schade

Sind Myheimat-Bürgerreporter eigentlich Journalisten? Haben Sie die gleichen Rechte wie Schreiberlinge, die für ihre Zeilen bezahlt werden? Oder sind Bürgerreporter irgendetwas ganz weit hinter dem Schlusslicht der schreibenden Zunft?

Der Anspruch von myheimat geht weit über das Veröffentlichen von Rezepten, Blumen- und Tierfotos hinaus. Bürgerreporter sollen direkt „von unten“ berichten, mit ihrer Sicht der Dinge die etablierten Medien ergänzen und ihnen manchmal auch entgegentreten. So war es jedenfalls ursprünglich einmal gedacht. Eine direkte Form des „demokratischen Journalismus“ halt. Werden diese hehren Ansprüche ernst genommen, so kann es eigentlich doch keinen Unterschied machen, ob jemand auf diesem Portal seine Texte und Bilder veröffentlicht oder gegen Honorar für eine Zeitung schreibt.

Gehen wir der Sache doch einmal auf den Grund. Wie schon im Beitrag zum Presseausweis(http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...) gesagt, kann es hier nur darum gehen, wie wir Bürgerreporter von Behördenvertretern behandelt werden. Privatleute sind frei, wem sie über was irgendwelche Auskünfte geben, wem sie den Zutritt zu ihren Veranstaltungen erlauben und wem sie gegebenenfalls gestatten, Fotos zu machen. Nicht so die öffentliche Hand. Sie muss die Presse- und Rundfunkfreiheit beachten, darf keine Zensur bei der freien Berichterstattung ausüben, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Journalisten unterscheiden. Das gilt auch dann, wenn der Staat oder die Kommunen Aufgaben in privatrechtlicher Form wahrnehmen und beispielsweise eine GmbH oder privatrechtliche Stiftung gründen.

Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist wieder das Presserecht (für einschlägig vorbelastete Leser, die jetzt kritisch die Stirn runzeln - Gemach, Gemach, bitte erst einmal bis zum Schluss des Beitrages lesen). Die Pressegesetze sind Ländersache. Als niedersächsischer Myheimatler blicke ich deshalb in erster Linie auf das Niedersächsische Pressegesetz (NPresseG) vom 22. März 1965. Die Vorschriften in den anderen Bundesländern dürften aber ähnlich sein. Schließlich müssen alle Regelungen sich an der in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz verbürgten Pressefreiheit messen lassen.

In § 4 Abs. 1 Nds. PresseG steht: "Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“ Im folgenden Absatz sind dann Ausnahmen geregelt, die für unser Thema jedoch nicht von Interesse sind.

Die Rede ist hier von „Vertretern der Presse“. Wer ist das und wer gehört nicht dazu?

Schauen wir uns doch den Begriff der „Presse“ einmal näher an. Da die Pressegesetze Ausfluss des entsprechenden Grundrechtes sind, ist dabei auch der einschlägige Artikel des Grundgesetzes (GG) in den Blick zu nehmen. Hier heißt es in Art. 5 Abs. 1 GG unter anderem: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Es fällt auf, dass im Niedersächsischen Recht nur von „Presse“ die Rede ist, das Grundgesetz aber neben der Presse auch den Rundfunk und den Film erwähnt.

Vom Wortsinn her ist auch wirklich ein Unterschied zu machen. Denn „Presse“ ist natürlich eigentlich nur das, was aus der Druckerpresse herauskommt. Damit sind in erster Linie also Druckerzeugnisse gemeint, wobei hier allerdings der Begriff weit auszulegen ist, um nicht den Staat durch die Hintertür eine Zensur durch Umgehen des Artikels 5 GG zu ermöglichen. Unter „Presse“ fallen also nicht nur die aus der Rotation kommenden Zeitungen oder Magazine im Hochglanzformat. Der Freiheit der Presse unterliegen alle zur Verbreitung vorgesehen Druckwerke. Inhaltliche Kriterien zählen nicht, es muss sich nur um Informationen handeln, die für eine Vielzahl von Empfängern vorgesehen sind (ein privater Brief an einem ganz bestimmten Empfänger, auch wenn dieser Brief gedruckt wurde, gehört also nicht hierzu). Allerdings muss es nicht unbedingt immer die ganze breite Öffentlichkeit sein. So sagte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 8. Oktober 1996 (Az. 1 BvR 1183/90): „Zur Presse im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gehören auch Werkszeitungen. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung waren bisher zwar nur Zeitungen oder Zeitschriften, die dem Publikum allgemein zum Kauf angeboten werden. Werkszeitungen unterscheiden sich von solchen Presseerzeugnissen vor allem dadurch, dass sie lediglich unternehmensintern verteilt werden. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG lässt aber nicht erkennen, dass es für die Pressequalität eines Druckerzeugnisses auf diesen Unterschied ankommen soll. Für die Funktion des Grundrechts, eine staatlich nicht reglementierte, offene Kommunikation zu gewährleisten, ist er unerheblich. Die Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, die Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will, wird nicht nur von allgemein zugänglichen, sondern auch von gruppeninternen Publikationen erfüllt. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht den Schutz der Pressefreiheit nicht von besonderen Eigenschaften der Publikation abhängig gemacht, solange diese nur in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form am Kommunikationsprozess teilnimmt. Vielmehr ist es stets von einem weiten und formalen Pressebegriff ausgegangen. Das muss auch für die Verbreitungsmodalitäten gelten. Entscheidend für den Grundrechtsschutz der Presse ist allein das Kommunikationsmedium, nicht der Vertriebsweg oder Empfängerkreis.“ Und schon 1973 (Beschluss vom 14. Februar 1973 - Az. 1 BvR 112/65) sagte das Bundesverfassungsgericht: „Der Begriff "Presse" ist weit und formal auszulegen; er kann nicht von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des einzelnen Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden. Die Pressefreiheit ist nicht auf die "seriöse" Presse beschränkt.“

Nun ist die Zeit, in der Informationen ausschließlich über Druckerzeugnisse unter die Leute gebracht werden, schon lange vorbei. Deshalb werden nach der Kommentarliteratur zur Presse im Sinn von Art. 5 GG neben den Druckwerken auch andere Informationsträger gezählt (vgl. etwa Degenhart, im Bonner Kommentar zu Art. 5 Abs. 1 und 2 Grundgesetz, dort Randnummer 361). Das können beispielsweise Datenträger wie CDs oder DVDs sein.

Wenn „myheimat“ ein Druckerzeugnis wäre, dann wären wir auch bei der „Presse“ im Sinn des Grundgesetzes. Denn nach dem Schutzzweck kann es nicht darauf ankommen, ob ein Text von einem ausgebildeten Journalisten geschrieben wurde und ob dieser damit Geld verdienen wollte oder nicht. Maßgeblich ist lediglich, dass Informationen an einem größeren Kreis verbreitet werden sollen. Früher, als Myheimat-Artikel im Raum Hannover noch regelmäßig in Myheimat-Magazinen und Beilagen oder im Rahmen der normalen Berichterstattung in den Heimatzeitungen bzw. in den Wochenblättern veröffentlicht wurden, hätte ich also keine Probleme gehabt, Myheimat-Bürgerreportern das Attribut „Vertreter der Presse“ zuzusprechen - mit allen Rechten gegenüber der öffentlichen Hand. MyHeimat-Leserreporter müssten in diesem Fall genauso Auskunft bekommen wie andere Journalisten, auf Wunsch in den "Presseverteiler" aufgenommen werden und auch Zugang zur "Pressetribüne" und ähnlichem erhalten. Theoretisch jedenfalls, ob es in der Praxis auch immer so funktioniert, ist eine andere Frage. Wie gesagt, dies gilt indes nur, wenn die Myheimat-Beiträge tatsächlich gedruckt werden, eben halt aus der Drucker-"Presse" kommen.

Soweit unsere myheimat-Artikel lediglich nur im Netz zu lesen sind, fallen sie nach alledem aber nicht unter die durch das Grundgesetz geschützte Pressefreiheit, weil es insoweit an einem verkörperten Datenträger fehlt. „Wat nu?“ wird jetzt vielleicht der eine oder andere murmeln.

Das Grundgesetz spricht indes ja nicht nur von der Freiheit der Presse, sondern auch von der Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk. Unter Rundfunk stellt man sich jetzt erst einmal Radio und Fernsehen vor. Das hatten die Autoren des Grundgesetzes wohl genauso gesehen, denn das Internet gab es noch nicht. Aber beim Wort „Rundfunk“ haben Juristen gleichwohl einen Ansatzpunkt gefunden, um die Formen des „electronic publishing“ dem Schutz des Grundgesetzes zu unterstellen (vgl. etwa Bethge, in Sachs, Grundgesetz, 4. Auflage 2007, Kommentar zu Art. 5). Hilft uns das aber? Das Niedersächsische Pressegesetz spricht in keinem Wort vom Rundfunk. Hier kommen wir also nicht weiter.

Wenn Regelungen für Erzeugnisse, die aus der Drucker-„Presse“ kommen, existieren, stellt sich die Frage, ob es dann vielleicht auch Sonderregelungen für den Rundfunkbereich einschließlich der sonstigen elektronischen Medien gibt. In Niedersachsen (wie übrigens auch in anderen Bundesländern) gibt es einen Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien, kurz Rundfunkstaatsvertrag oder auch nur „RStV“ genannt. Dieser Staatsvertrag gilt, wie der Name schon sagt, nicht nur für die Radio- und Fernsehsender, sondern ebenfalls für Telemedien. „Telemedien“ sind nach § 2 Abs. 1 RStV „alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Das ist ziemlich kompliziert ausgedrückt, aber unser Internet wird davon erfasst. Und in § 9a des Rundfunkstaatsvertrages steht nun eine ähnliche Regelung wie in § 4 des Nds. PresseG. Es heißt dort: „Rundfunkveranstalter haben gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft.“ Nun ist Myheimat kein Rundfunk. Es gibt aber noch den § 55 Abs. 3 des Staatsvertrages. Dort heißt es, „Für Anbieter von Telemedien nach Absatz 2 Satz 1 gilt § 9a entsprechend.“ Stellt sich noch die Frage, was ist „ein „Anbieter von Telemedien nach Absatz 2 Satz 1“?. Das sind Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten. Meines Erachtens zählt auch das Myheimat-Portal dazu. Denn was sonst sollen die hier veröffentlichen Beiträge denn anders sein? Auf die etwaige Qualität oder Professionalität der Beiträge kommt es nicht an - und darf es wegen des Zensurverbotes auch nicht ankommen.

Betrachten wir jetzt noch einmal § 4 des Niedersächsischen Pressegesetzes und vergleichen diese Regelung mit der des § 55 des Rundfunkstaatsvertrages. Richtig: Während das Pressegesetz von „Vertretern der Presse“ spricht, spricht der Staatsvertrag nur von Anbietern.

Ist jetzt Anbieter in diesem Sinn nur die myheimat-Zentrale in Augsburg? Können Myheimat-Autoren Auskunftsansprüche folglich lediglich dann geltend machen, wenn sie im Auftrag der Myheimat-Zentrale handeln - es sei denn, sie haben das Glück, für einen Bereich zu schreiben, in denen es noch gedruckte Myheimat-Magazine gibt (denn dann wären sie - auch - Vertreter der Presse). Was meint der Staatsvertrag mit Anbietern?

Eine Ahnung von dem, was wir unter dem Begriff „Anbieter“ zu verstehen haben, findet sich in § 2 Nr. 1 des Telemediengesetzes. Dort heißt es: "Diensteanbieter (ist) jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt; bei audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die die Auswahl und Gestaltung der angebotenen Inhalte wirksam kontrolliert.“ Anhand dieser Definition wird man wohl nur den Betreibern der Internetseiten - hier also die Myheimat-Zentrale - die Eigenschaft eines „Diensteanbieters“ zusprechen können (vgl. zur Frage "Anbieter = Betreiber einer Seite" auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. September 2014 - Az. 4 LB 20/13).

Als niedersächsische Myheimatler, speziell als hannoversche Aktivisten (dessen Artikel nicht mehr in der Presse veröffentlicht werden) dürften wir nach alledem weder einen Anspruch gegen Landesbehörden aus dem Pressegesetz noch aus dem Rundfunkstaatsvertrag haben. Da es in Niedersachsen auch kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz wie in anderen Bundesländern gibt, sind wir, was Auskünfte von niedersächsischen Verwaltungen betrifft, auf den guten Willen des betreffenden Amtes und seiner für ihn handelnden Beamten angewiesen.

Soweit wir etwas von Bundesbehörden wissen wollen, rückt aber noch das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, kurz auch Informationsfreiheitsgesetz genannt, in den Blick unserer Überlegungen.

Nach § 1 dieses Gesetzes hat jeder „nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.“ Klingt erst einmal ganz gut. Eine Auskunft nach diesem Gesetz setzt aber ein förmliches und aufwendiges Antragsverfahren nach § 7 voraus; mit einer schlichten „Presseanfrage“ ist es nicht getan. Eine echte Alternative ist das Informationsfreiheitsgesetz deshalb wohl eher nicht.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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