Die Sache mit dem Presseausweis

Thema Presserecht: Was ist ein Presseausweis - und braucht man den eigentlich?
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  • hochgeladen von Jens Schade

Myheimat ist der „Blog“ für Hobby-Journalisten. Der Anspruch dieses Portals geht weit über das Veröffentlichen von Rezepten, Blumen- und Tierfotos hinaus. Bürgerreporter sollen direkt „von unten“ berichten, mit ihrer Sicht der Dinge die etablierten Medien ergänzen und ihnen manchmal auch entgegentreten. So war es jedenfalls ursprünglich einmal gedacht. Eine direkte Form des „demokratischen Journalismus“ halt. Werden diese hehren Ansprüche ernst genommen, stellt sich ganz schnell die Frage: Haben myheimat-Bürgerreporter eigentlich dieselben Rechte wie bezahlte hauptamtlich schreibende Angestellte von Zeitungen und anderen Medien? Denn wir Myheimatler sind wohl überwiegend nicht im Besitz eines Presseausweises. Aber - brauchen wir den überhaupt?

Seit einem Gespräch kürzlich mit einem Pressesprecher einer niedersächsischen Behörde beschäftige ich mich mit diesem Gedanken. Eine Studentin wollte für ein Seminarprojekt von seiner Dienststelle etwas wissen. Er stellte sich auf den Standpunkt, wer einen Presseausweis besitzt, bekommt eine Auskunft, wer nicht, der erfährt eben auch nichts.

Gut, das ist eine klare Ansage und ich vermute, dass in vielen Behörden rein tatsächlich so verfahren wird. Aber entspricht dies in dieser rigorosen Form wirklich so den rechtlichen Gegebenheiten? Dem soll hier jetzt einmal nachgegangen werden. Dargestellt werden meine persönlichen Überlegungen zum Thema; eine Gewähr für die Richtigkeit kann ich nicht übernehmen. Eine fundierte Rechtsberatung im Einzelfall kann dieser Beitrag natürlich erst recht nicht ersetzen.

Eine weitere Vorbemerkung: Wir beschäftigen uns im Folgenden mit einem Auskunftsanspruch gegen die öffentliche Hand. Als Privatmann ist niemand verpflichtet, irgendeinen Pressefritzen, schreibt er nun für myheimat, für eine überregionale Zeitung oder fürs Fernsehen, Auskünfte zu geben. Wenn man mit ihm nicht sprechen will, kann man ihn getrost zum Teufel jagen (in Kreisen des Hochadels wurde in der Vergangenheit hierbei gelegentlich gern auch mal ein Regenschirm zur Hilfe genommen). Deshalb dürfen beispielsweise private Konzertveranstalter, wenn sie es denn wollen, auch nur genehme Journalisten zulassen und anderen eben den Zutritt und/oder das Fotografieren untersagen. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt es insoweit nicht.

Keine Regel ohne Ausnahme. Privat ist nicht immer privat. Wenn die öffentliche Hand ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge in privatwirtschaftlicher Form nachkommt - etwa ein Opernhaus als GmbH betreibt - dann kann die Sache möglicherweise wieder etwas anders aussehen. „Der presserechtliche Behördenbegriff des § 4 LPG NRW (das ist das Landespressegesetz von Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Verf.) erfasst auch eine juristische Personen des Privatrechts (hier: Stiftung), die keine Aufgaben der Daseinsvorsorge im herkömmlichen Sinne wahrnimmt, aber zur Erfüllung einer staatlichen Aufgabe (Erhaltung eines Kulturdenkmals) eingesetzt und finanziell von der öffentlichen Hand beherrscht wird“, hat beispielsweise das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am 25. Juni 2014 entschieden (Az.: 4 K 3466/13).

Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück. Unser Pressesprecher machte eine Auskunft vom Besitz eines „Presseausweises“ abhängig. Was ist das eigentlich, ein Presseausweis?

Genaugenommen ist dies lediglich eine Bescheinigung von irgendwem, dass der im Ausweis Genannte journalistisch tätig ist. Der Bescheinigung im Ausweis kann man nun glauben oder auch nicht. Denn im Prinzip könnte jedermann so einen Ausweis ausstellen.

Nun gibt es aber Presseausweis-Aussteller, deren Glaubwürdigkeit amtlich bescheinigt ist. Noch im vergangenen Jahrhundert setzten sich die Innenminister der Bundesrepublik Deutschland zusammen und vereinbarten mit einem handverlesenen Kreis von möglichen Ausstellern, dass sie deren Presseausweise - für die ein einheitliches Muster festgelegt wurde - akzeptieren werden. Es handelt sich um Presseausweise
1.) des Deutschen Journalisten-Verband, Gewerkschaft der Journalisten;
2.) der Industriegewerkschaften Medien, Fachgruppe Journalismus:
3.) der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Berufsgruppe Medien und Kunst;
4.) des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger und
5.) des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger.

Presseausweise, die oft in Kleinanzeigen etwa in Fotozeitschriften angeboten werden, kann man demgegenüber getrost vergessen. Ebenso gut könnte man sich einen derartigen Ausweis gleich selbst drucken.

Das Problem ist nun, dass ein Ausweis von den eben genannten privilegierten Ausweisausstellern nicht so ohne weiteres zu erhalten ist. Oft muss man hauptamtlich als Journalist tätig sein. Und selbst dann: wer nicht Mitglied einer der genannten Gewerkschaften ist und wer für einen Verleger arbeitet, der sich den beiden oben genannten Verbänden nicht angeschlossen hat (ich denke da nur an die Herausgeber lokaler und sublokaler Anzeigenblätter), hat schon einmal schlechte Karten. Gibt es also Journalisten 1. und 2. Klasse? Kein Zweifel, die gibt es im wirklichen Leben wohl tatsächlich. Aber ist das auch rechtens? Schauen wir uns doch einmal das Gesetz an.

Die Pressegesetze sind Ländersache. Als niedersächsischer Myheimatler blicke ich deshalb in erster Linie auf das Niedersächsische Pressegesetz (NPresseG) vom 22. März 1965. Die Vorschriften in den anderen Bundesländern dürften aber ähnlich sein. Schließlich müssen alle Regelungen sich an der in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz verbürgten Pressefreiheit messen lassen (und ja - ich weiß. Die Pressegesetze gelten nur für die Presse und ob myheimat als Telemedium dazugehört ist mehr als fraglich. Aber das soll in einem späteren Beitrag erörtert werden).

In § 4 Abs. 1 Nds. PresseG steht: "Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“ Im folgenden Absatz sind dann Ausnahmen geregelt, die für unser Thema jedoch nicht von Interesse sind.

Jedenfalls im niedersächsischen Recht wird ein Presseausweis nicht ausdrücklich erwähnt. Die Rede ist lediglich von „Vertretern der Presse“. Und ob das jemand ist oder nicht, hängt nicht vom Besitz eines Presseausweises ab.

Das Verwaltungsgericht München hat in seinem Urteil vom 22. Mai 2014 (Az.: M 10 K 13.1304) - das natürlich zum bayrischen Presserecht erging- entschieden: „Nach Auffassung des erkennenden Gerichts reicht es für die Aktivlegitimation des Klägers aus, dass er - egal ob haupt- oder nebenberuflich - als Journalist tätig war und auch weiterhin ist. Nach seinem eigenen Vortrag ist der Kläger als freier Mitarbeiter tätig, der im vorliegenden Fall eine eigenständige Recherche durchführen will. Es ist nicht erforderlich, dass ein Journalist - der für sich einen Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG (d.h., dem Bayrischen Pressegesetz, Anm. d. Verf.) geltend macht - selbst Redakteur einer Zeitung oder Zeitschrift ist, dort als fester Mitarbeiter beschäftigt ist oder einen konkreten Recherche- oder Berichtsauftrag einer Redaktion für eine Auftragsarbeit hat …. Auch wenn der Kläger laut Auskunft des stellvertretenden Redaktionsleiters des ... Tagblattes keinen Rechercheauftrag der Zeitung im Zusammenhang mit der JVA ... hatte, ist es ihm als freiberuflichem Mitarbeiter freigestellt, sich selbst ein bestimmtes Thema zu stellen, hierfür zu recherchieren und letztlich auch einen Artikel zu verfassen, den er als Freiberufler dann als Werk dem ... Tagblatt oder einer anderen Redaktion anbietet, um hierdurch Einnahmen zu erzielen.“

Im Bayrischen Pressegesetz ist die Vorschrift gegenüber dem niedersächsischen Pendant sogar etwas einschränkender formuliert. Es heißt dort in Art. 4 Abs. 1 BayPrG: „Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben“ (Hervorhebungen durch den Verf.). Hier wird daran angeknüpft, dass der Journalist sich hinreichend als Journalist ausgewiesen hat. Ein Presseausweis dafür ist aber nicht erforderlich. Dem Verwaltungsgericht München genügte als „Legitimation im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG….,dass der Kläger die entsprechende Bestätigung seiner bisherigen und wohl auch künftigen journalistischen Tätigkeit für das ... Tagblatt mit einer entsprechenden Auskunft nachweisen konnte.“ Damit, so das Gericht weiter „ist jedenfalls - auch ohne Vorlage eines ohnehin nicht behördlich legitimierenden Presseausweises - hinreichend klargestellt, dass der Kläger nicht nur „ins Blaue hinein“, sondern grundsätzlich journalistisch tätig wird.“

Zurück zum niedersächsischen Recht. Die Rechtsprechung zu § 4 Nds. PresseG geht in die gleiche Richtung. So haben die Richter der 6. Kammer des Verwaltungsgericht Hannover schon in ihrem Urteil vom 12.09.1983 (Az.: 6 A 37/81) entschieden: „Wegen der besonderen Bedeutung der Pressefreiheit kann auch derjenige im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach § 4 Nds. PresseG Pressevertretereigenschaft haben, der entweder lediglich beabsichtigt, für die Presse tätig zu werden, oder der nur gelegentlich als Mitarbeiter eines Presseorgans in Erscheinung tritt. Da der Auskunftsanspruch jedoch Bestandteil der besonderen Bedeutung der Institution Presse ist, korrespondiert der prinzipiell uneingeschränkten Berechtigung für den Einzelfall eine Nachweispflicht dafür, „Vertreter der Presse“ zu sein.“

Der Hase liegt also bei der Frage der Glaubwürdigkeit im Pfeffer. Die Behörden gehen - vielleicht nicht ganz zu Unrecht - davon aus, „da kann ja jeder kommen“ und glauben einem möglicherweise erst einmal nicht, dass ein Journalist vor ihnen steht. Denn behaupten lässt sich ja vieles. Und wo käme man hin, wenn jedem, der in der Tür steht, auch eine Auskunft erteilt würde. Möchte man etwas von der Behörde wissen, ist - wenn einem nicht geglaubt wird - also irgendwie nachzuweisen, dass man tatsächlich journalistisch tätig ist - oder tätig werden will. Diese Nachweispflicht kann durch Vorlage eines Presseausweises relativ leicht erfüllt werden. Aber unser oben erwähnter Pressesprecher irrt, wenn er eine Auskunft davon ausschließlich abhängig macht. Nachweisen lässt sich die journalistische Tätigkeit auch anders. Hat jemand bereits für Medien geschrieben, geht das etwa durch eine entsprechende Bescheinigung der Redaktion. Meines Erachtens müsste aber auch die Vorlage bisherige Veröffentlichungen als Nachweis, dass man journalistisch tätig ist, ausreichen. Angeschmiert ist nur derjenige, der zum ersten Mal in journalistische Fußstapfen treten und ohne Auftrag einer Redaktion einen Artikel schreiben will, um sein Werk erst hinterher einer Zeitung oder Zeitschrift anzubieten. Wird ihm nicht geglaubt, dürfte er kaum erfolgreich einen Auskunftsanspruch nach § 4 Nds. PresseG durchsetzen können.

Eine Frage ist zum Schluss noch offen. Wie sind eigentlich die Veröffentlichungen bei myheimat einzustufen? Ist ein auf myheimat schreibender Bürgerreporter ein „Vertreter der Presse“ im Sinn des niedersächsischen Pressegesetzes? Doch halt. Dieser Beitrag ist schon jetzt sehr lang geworden. 1.489 Wörter zählt das Schreibprogramm bisher. Die Geduld meiner Leser soll nicht überstrapaziert werden. Dieser letzten spannenden Frage soll deshalb erst in einem späteren Beitrag nachgegangen werden. Fürs erste bleibt festzuhalten, dass ein „Presseausweis“ der oben genannten quasi amtlichen Aussteller die ganze Sache zwar erleichtert, ein journalistisch Tätiger jedoch nicht zwingende solch eine Legitimation besitzen muss. Um die Rechte aus den Pressegesetzen der Länder in Anspruch nehmen zu können, lässt sich die eigene journalistische Tätigkeit durchaus auch in anderer Weise glaubhaft machen.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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