Pilgerweg in der Schweiz von Konstanz bis Interlaken

Münster von Konstanz mit Mariensäule und Wegweiser nach Santiago de Compostela
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Das Pilgern zum Grab des heiligen Jakobus, nach Santiago de Compostela hat in ganz Europa zugenommen, so auch in der Schweiz. Die Teilstrecke von Konstanz nach Interlaken hat landschaftlich ihren besonderen Reiz und bietet auch kulturell einige Höhepunkte. Die Strecke ist weithin gut ausgeschildert, trotzdem sind wir, Angela Stempin und ich, einige Male vom Weg abgekommen, haben aber schnell wieder zum Jakobsweg gefunden, der häufig auch als Schwabenweg ausgewiesen ist.

Wir starteten unsere Pilgerwanderung beim Münster in Konstanz. Am Münster ist in allen Epochen von der karolingischen Zeit bis in die Gegenwart gebaut worden. Den ältesten Bauabschnitt fanden wir bei der Besichtigung der einstigen Bischofskirche in der frühromanischen Krypta. Wir betrachteten den ganzen inneren Kathedralbau, ferner den Kreuzgang und die Mauritiusrotunde. Bevor wir unsere Pilgerschaft antraten, machten wir durch die engen Gassen von Konstanz noch einen Abstecher zum Bodensee. Im dortigen Parkgelände trafen wir auf das Gebäude, in dem das Konstanzer Konzil 1414-18 stattfand. Wir erinnerten uns an die Verurteilung des tschechischen Reformators Hus und positiv an die Wahl von Papst Martin V. aus dem Colonna, womit die Zeit eines Gegenpapstes in Avignon sein Ende fand.

Dann musste es aber endlich losgehen. Bei Kreuzlingen überschritten wir die deutsch-schweizerische Grenze. Dann ging es bald aufwärts. Wir wanderten durch eine hügelige Landschaft mit vielen Einzelhöfen und Weilern, alle sehr sauber, oft neu gestrichen. Bei Temperaturen von 30 Grad C trafen wir in Märstetten ein. Wir bogen vom Pilgerweg ab, um die Pilgerherberge aufzusuchen, die aber noch bis 17.00 Uhr geschlossen war. So beschlossen wir die St. Jakobskirche aufzusuchen, die aber zunächst ebenfalls wegen Mittagsruhe geschlossen war. Nach dem Mittagessen in einem schönen Gartenrestaurant trafen wir den Meßner, der uns die hübsche Kirche zu Gebet und Betrachtung aufschloss. Die wertvollen Fresken aus dem 15. Jahrhundert sind sehenswert. Der Meßner führte uns dann noch zu einem Bauernhof, der einen Pilgerstempel besaß, den wir nicht verpassen wollten.

Unvermeidlich war dann zunächst eine heiße Asphaltstraße, die an einer stinkenden Düngemittelfabrik vorbeiführte. Dann gelangten wir aber in eine schöne Waldstrecke. Auf den Wiesen nahe der Thurbrücke bei Amlikon ruhten wir aus, mussten aber bald wieder aufbrechen, denn Gewitterwolken zogen auf. Der Weg führte über einige Fluren und Dörfer, aber wir hatten immer noch eine Wegstrecke von einer Stunde bis Tobel, unserem Zielort an diesem Tag vor uns. So entschlossen wir uns, unsere Wirtin anzurufen, die sofort bereit war, uns mit ihrem Auto abzuholen. Welch ein Glück, denn alsbald begann ein heftiges Gewitter mit Böen und Starkregen. Die freundliche Frau bereitete uns noch ein Bierchermuesli und servierte uns schwarzrote Kirschen.

Die nächste Etappe sollte bis auf den Hörnli (1133 m) führen. Im Weiler St. Margarethen lädt eine kleine Kapelle aus dem 17. Jahrhundert zum Verweilen ein. Über Münchwilen und Sirnach ging es weiter nach Fischingen, wo sich der Besuch des dortigen Klosters und der barocken Kirche lohnt. Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert gegründet. In dem Kloster, in dem heute Benediktiner leben, kann der Pilger auch erneut den begehrten Pilgerstempel erhalten.

Nur wenige km ist es bis Au, dem letzten Ort vor dem Aufstieg zum Hörnli. Da der Anstieg mit Gepäck recht anstrengend ist, ließen wir uns dort einige Zeit und machten auf einer einladenden Bank erst einmal Rast. Wir genossen den Blick über artenreiche Magerwiesen mit mehreren hundert Pflanzenarten, u.a. Restvegetation von Nunatakkern aus der letzten Eiszeit. Dann wagten wir den letzten Aufstieg über viele Stufen bis zum Berggasthof Hörnli. Nach der Einquartierung genossen wir den Aussichtsberg, u.a. den Blick ins Tösstal, das wir an nächsten Tag durchwandern wollten. Nach dem Abendessen im Berggasthof wurde es sehr still, denn wir waren die einzigen Pilger, ja die einzigen Gäste, die über Nacht verblieben.

Die nächste Etappe führte nach Rapperswil. Der Tag begann aber nicht verheißungsvoll. Als wir um 6.00 Uhr aufwachten, lag der Hörnli in den Wolken, und es regnete intensiv. Es hörte auch nicht auf zu gießen, als wir das spärliche Frühstück einnahmen, das uns der Wirt in der Nacht hingestellt hatte. Gegen 8.00 Uhr brachen wir auf und stiegen den Berg auf der anderen Seite hinunter. Bei dem strömenden Regen wählten wir das Sträßchen, da der Pilgerweg durch die Wiesen zu nass und rutschig war. Nach mehr als einer Stunde erreichten wir Steg. Entgegen der Pilgersitte entschlossen wir uns bei dem Regen zu einer Zugfahrt bis Gibswil. Bei Ried stiegen wir auf den Höhenweg, der uns durch mehrere kleine Dörfer und Weiler führte. Hinter Tündel verpassten wir den Jakobsweg und kamen so nach Oberdürnten, wo wir eine gute Gaststätte fanden, um unseren Hunger zu stillen.

Die Wirtin zeigte uns eine großmaßstäbige Karte, wonach wir den Pilgerweg hätten wiederfinden können. Wir entschlossen uns jedoch zu dem kürzeren Hauptstraßenweg nach Rüti, was wir jedoch wegen des Verkehrslärms später bereuten. Bei Regen mußten wir den Weg nach Rapperswil zurücklegen. Als Quartier wählten wir die dortige Jugendherberge.

Inzwischen war sonniges Wetter aufgekommen und so beschlossen wir, am Zürichsee entlang in die malerische Altstadt von Rapperswil zu wandern. Lohnend ist die Besichtigung des städtischen Hügels mit Burg und Kirche         St. Johann mit sehenswerten Renaissance-Altären. Die schmucken Häuser am Markt und am Hafen strahlen ein besonderes Flair aus.

Die nächste Etappe führt von Rapperswil nach Einsiedeln. Zunächst suchten wir am Zürichsee wieder den Hafen auf und nahmen dann den Weg über die längste Holzbrücke der Schweiz. Sie ist 850 m lang und verbindet Rapperswil mit der Halbinsel Hurden am gegenüberliegenden Ufer des Zürichsees. Sie ist nicht nur Pilgerweg, sondern seit Jahrhunderten Handelsroute über den Zürichsee. Mit einer so langen Holzbrücke bis ins Städtchen Pfäffikon hatten wir gar nicht gerechnet. So konnten wir erst um 11.00 Uhr unseren steilen Aufstieg zum Etzelpass beginnen. Bei einer für den Jakobspilger gut beschilderten Baustelle trafen wir die junge Jakobspilgerin Rita, die erst heute gestartet war, aber uns nach kurzem Fotoaufenthalt schnell überholte. Abwechselnd ging es durch Wald und Weide. Nach Mittag erreichten wir die Passhöhe von 1133 m und besuchten die St. Meinradskapelle. Der heilige Meinrad hatte m 9. Jahrhundert einige Jahre als Einsiedler auf dem Etzel gelebt. Vom Pass ging es wieder abwärts zur Teufelsbrücke, einer interessanten 1699 erbauten Holzbrücke über den Fluss Sihl. In der Mitte der Brücke steht eine Figur des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk. Vorbei am Sihlsee nahmen wir die alte Straße nach Einsiedeln. Große Freude, als wir von ferne das Kloster erblickten. Es ist fast ein ähnliches Gefühl wie auf dem Monte de Gozo, dem Berg der Freude, von dem die Jakobspilger erstmals Santiago erblicken können. Die Besichtigung des berühmten und geschichtsträchtigen Benediktinerklosters nahmen wir uns erst für den nächsten Tag vor. Wir bezogen ein einfaches Pilgerquartier im Hotel Linde.

Den folgenden Tag widmeten wir uns der Ruhe und der Besichtigung des Klosters, das auf eine Einsiedelei des 9. Jahrhunderts zurückgeht. Wir nahmen am Hochamt in der Barockkirche teil und erlebten den lateinischen Choral der Mönche. Nach dem Gottesdienst nahmen wir die gesamte große beeindruckende Klosteranlage in Augenschein. Wir erfuhren, dass das Kloster seit Jahrhunderten Pferdezucht betrieb. Der historische Pferdestall ist meist zu besichtigen. Ein besonderes Erlebnis war die feierliche Vesper am Nachmittag um 16.30 Uhr in der Klosterkirche.

Der nächste Tag war der Etappe Einsiedeln - Brunnen gewidmet. Zunächst ging es noch auf ebenem Weg bis nach Alpthal. Dann begann der 400 m-Aufstieg zum höchsten Punkt des Schweizer Jakobsweges, dem Haggenegg. Es ist ein abwechslungsreicher alter Paßweg mit großartigen Ausblicken auf die Alpen, besonders die beiden Mythen. Auf der Paßhöhe nahmen wir die verdiente Rast. Dann begann ein längerer Abstieg zum 700 m tiefer gelegenen Ort Schwyz, der nach unserem Empfinden in den letzten Jahrzehnten durch Betonbauten verschandelt wurde. Sehenswert ist aber die Kirche St. Martin, eine der schönsten barocken Kirchen der Schweiz. Bei sommerlicher Hitze ging es weiter nach Brunnen. Wir suchten das Kloster Ingenbohl auf, in dem die Schwester des bekannten Schweizer Moraltheologen und Sozialethikers Franz Furger Generaloberin gewesen war. Wir fanden in dem Kloster sehr freundliche Aufnahme durch Schwester Bernadette. Wir erhielten ein geräumiges Zimmer im Maria-Theresien-Haus zugeteilt. Zusammen mit zahlreichen Schwestern nahmen wir an der gut gesungenen Vesper teil. Das Abendessen nahmen wir im Restaurant Klosterbächle ein. Später berichtete uns noch Schwester Bernardette von dem Sozialreformer Theodosius Florentini, dem Initiator des Klosters Ingenbohl. So erfüllte sich ein erlebnisreicher Tag.

Die nächste Etappe erfolgte von Brunnen nach Stans.
Nach einem guten Frühstück wanderten wir zum Hafen von Brunnen. Wir bestiegen dort das Schiff "Fluelen", das uns in vier Stationen über den Vierwaldstätter See nach Buochs brachte. Wir hatten Probleme, aus dem Ort herauszufinden. Der Weg führte an der hoch gelegenen Kirche St. Martin vorbei auf einen Höhenweg von etwa 500 m. Es wurde schnell heiß und anstrengend. Bei Oberdorf mussten wir wieder absteigen und gelangten über Wiesen nach Stans.

Da wir dieses Ziel bereits mittags erreichten, entschlossen wir uns zu einem Abstecher nach Engelberg. Wir nahmen den Weg nicht zu Fuß, sondern entgegen guter Pilgertradition mit der Eisenbahn, die zum Teil als Zahnradbahn fungiert. Wir waren beeindruckt von den vergletscherten Bergen oberhalb Engelberg, besonders von dem markanten Titlis in 3200 m Höhe. Wir fanden im dortigen Benediktinerkloster freundliche Aufnahme. Wir konnten um 18.00 Uhr an der feierlichen Vesper teilnehmen, die hier im Unterschied zu Kloster Einsiedeln auf deutsch gesungen wurde. Wir beschlossen, an dem gastlichen Ort einen Tag länger zu bleiben.

Am übernächsten Tag nahmen wir die Etappe Stans bis Haus "Bethanien". Die Talfahrt erfolgte wieder mit dem Zug. Bei der Stanser Pfarrkirche St. Peter und Paul fanden wir den Jakobspilgerweg wieder. Es lohnt, auch einen Blick auf das 1714 erbaute Rathaus und die umliegenden Häuser am Rathausplatz zu werfen. Der weitere Weg führte über die Höhen und die dort gelegenen Höfe. Wir erreichten die Kapelle Maria zum Schnee, die um das Jahr 1700 erbaut wurde. Sie lud zum Verweilen und stillen Gebet ein. Dann setzten wir den Pilgerweg über den Weiler Ennetmoos fort. Die abwechslungsreiche Etappe führte uns fast ganz um das Stanser Horn herum. Bei heißem Wetter freuten wir uns, unter schattigen Bäumen des Idyllhotels Kernserhof im Ortsteil Sand von Kerns ein gutes Mittagsmahl zu finden. So gestärkt ging es über sonnige Wiesen und Matten weiter. Wir waren dennoch bald am Ende unserer Kräfte. Neuen Mut gab uns, als wir in der Ferne unter uns den Sarner See erblickten. Dennoch erschöpfte das ständige Auf und Ab unsere Kräfte und wir zweifelten, ob wir heute noch unser Ziel Flüeli-Ranft erreichen könnten. Um so froher waren wir, als wir am Wegesrand ein Schild lasen, dass das neu erbaute, von Dominikanerinnen unterhaltene Haus "Bethanien" im Ort St. Niklausen Jakobspiler aufnimmt. Das beschleunigte unsere Schritte. Wir erhielten tatsächlich ein sehr schönes geräumiges Zimmer mit Blick auf den Sarner See. Den erfolgreichen Tag konnten wir mit einem stillen Gebet in der Krypta der sehr stilvollen modern Kirche abschließen.

Letzte Etappe Haus "Bethanien" - Interlaken

Nach der Heiligen Messe im Haus "Bethanien" und dem Genuss eines ausgiebigen Frühstückbuffets brachen wir auf in den Ranft, der tiefen Schlucht des Flusses Melchaa. Den Abstieg versperrten mehrere Erdabbrüche des vorigen Sommers. Meine Begleiterin Angela ist einfach querfeldein gestiegen und hat den Fluss durchwatet, wobei sie ihre Brille verlor. Ich suchte weiter den Weg zur Brücke, den ich schließlich auch entdeckte. Unsere etwas abenteuerliche Tour wurde belohnt mit einem schön gestalteten Tal. Wir besuchten zwei Kapellen, die dort zu Ehren von Bruder Klaus errichtet sind, die obere Ranftkapelle aus dem Jahr 1469 und die untere Ranftkapelle von 1501. Bruder Klaus wurde als Niklaus von Flüe 1417 in Flüeli geboren. Er lebte dort bis zu seinem 50. Lebensjahr, verließ dann Haus, Familie und Hof und ließ sich als Einsiedler in der Ranft nieder. Er wurde von vielen Menschen als Ratgeber aufgesucht und trug erheblich bei zur Festigung der Eidgenossenschaft. Er wird heute als Nationalheiliger geehrt.

In der unteren Ranftkapelle ist ein Freskenzyklus aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zu bestaunen. Auch kann der Wanderer und Pilger die Zelle besichtigen, in der Bruder Klaus als Eremit lebte. Voller Eindrücke stiegen wir auf nach Flüeli, wo wir auch noch das Geburtshaus von Bruder Klaus und das Wohnhaus besichtigten, das er um die Mitte des 15. Jahrhunderts gebaut hatte. Relativ spät stiegen wir nach Sachseln am Sarner See ab. Da unsere Ferienzeit zu Ende ging, mussten wir weitere Teilstrecken entgegen der Pilgersitte mit dem Zug durchfahren. Wir nahmen den Zug nach Kaiserstuhl über Giswil. Auf der Westseite des Lungener Sees sind wir dann noch entlanggewandert. In Lungern stiegen wir erneut in den Zug, der uns über den Brünigpass nach Brienz brachte. Am Brienzer See erreichten wir knapp das letzte Schiff, das uns in einer einstündigen Fahrt nach Interlaken brachte. Von der Villa Sonnenhof, in der wir eigentlich übernachten wollten, wurde uns das letzte Zimmer im Hotel Artos vermittelt.
Dort haben wir den erlebnisreichen Tag mit einer Flasche Rotwein beendet.

Wenn wir auch die gesamte Pilgerstrecke Konstanz - Interlaken nicht zu Fuß durchwandern konnten, so haben die Etappen, die wir per pedes Apostolorum bewältigt haben, doch unauslöschliche Eindrücke in uns hinterlassen. Landschaften, Klöster, Menschen, denen wir begegneten, sind uns in bleibender Erinnerung. Wir dürfen sehr dankbar sein für das Erlebte. Der Jakobspilgerweg von Konstanz nach Interlakten ist wirklich sehr zu empfehlen. Ultreia!

Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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