Grußworte zur Feier des 80. Geburtstages von Manfred Hermanns

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von Kirsten Mauss 

Lieber Manfred, liebe Familie, liebe Gäste,

es ist mir eine besondere Freude und eine besondere Ehre, heute Gast auf dieser Feier zu sein. 80 Jahre ist Manfred Hermanns am 7. Februar 2016 geworden - wie wunderbar, dass wir diesen 80. Geburtstag hier alle zusammen am Kiekeberg feiern dürfen.
 
Ich kann heute in persönlicher Verbundenheit auf eine gut 26-jährige gemeinsame Geschichte zurückblicken. Sie nahm Anfang an der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Hamburg an der Saarlandstraße. Manfred war dort gestandener Professor für Soziologie, und ich war dort Studentin. Ich war schon eine Studentin älteren Semesters, die sich mit etwa 40 Jahren auf den 2. Bildungsweg begeben hatte - zunächst mit der Fachoberschule für Sozialpädagogik an der ehrwürdigen „Gelehrtenschule des Johanneums".
 
Mein Studium an der Fachhochschule für Sozialpädagogik begann im Sommersemester 1987 mit einem vierwöchigen Streik gegen die Sparpolitik des Hamburger Senats. Das bedeutete für uns Studentinnen und Studenten, jeden Tag an den Vollversammlungen in der überfüllten Aula teilzunehmen und Proteststrategien zu entwickeln. Dabei waren vor allem die linksorientierten und marxistischen Gruppierungen tonangebend. Es war nicht das Studienklima, in dem ich mich wohl fühlte.
 
Neben den Pflichtseminaren wie Sozialgeschichte, Sozialrecht, Familienrecht .... richtete ich mich bevorzugt an Seminaren aus, die die psychisch-psychologische Dimension des Menschseins und Menschwerdens zum Inhalt hatten. Ich machte parallel laufend zum Studium Zusatzausbildungen in Gesprächsführung, Familientherapie und Musiktherapie. Währenddessen beschäftigte mich zunehmend die Frage, zu welchem Thema ich im Studienbereich der "Prävention und Rehabilitation" wohl eine Abschlussarbeit zur Erlangung des Diploms schreiben könnte.

Mit dem Beginn des 6. Semesters besuchte ich das Seminar "Sozialethik - Verantwortliches Handeln in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik“ bei Professor Dr. Hermanns. Auf der Liste seiner Literaturempfehlungen entdeckte ein Buch mit dem Titel "Welt und Person" von Romano Guardini. Der Name Romano Guardini sprach mich in besonderer Weise an. In der Bibliothek der Fachhochschule schaute ich nach Werken von ihm. "Die Gegensatzlehre" fand ich vor. Ich erwarb das Buch "Welt und Person" zur Lektüre. Als ich im Seminar über meine Eindrücke sprach, öffnete sich ein Raum des intensiven Dialoges und einer besonderen Aufmerksamkeit. Von da an wurde der Lebens-, Kultur- und Religionsphilosoph Romano Guardini zum Mittelpunkt eines gemeinsamen Interesses - vom Geist Guardinis beflügelt.
 
Indem ich noch das Seminar "Wissenschaftliches Arbeiten" bei Professor Hermanns  besuchte, ergab es sich wie von selbst, dass ich zur Entscheidung fand, meine Diplomarbeit bei ihm als Gutachter zu schreiben. Das, obwohl er im Ruf stand, recht anspruchsvoll an die Leistungen seiner StudentInnen zu sein. Professor Hermanns verstand es, mir ein Thema zu geben, in dem ich meine bisherigen Vorkenntnisse einbinden und weiter entwickeln konnte. Mit dem Titel "Der dialogische Personbegriff Romano Guardinis und der Versuch eines Vergleichs mit dem personenzentrierten Gespräch bei Carl R. Rogers" erhielt ich ein komplex zu bearbeitendes Feld und dazu eine wunderbare schöpferische Inspiration.

Die Bedeutung des Dialoges, die zwischenmenschliche Begegnung, die Ich-Du-Beziehung, die zwischenmenschliche Gemeinschaft, der Mensch in der Personalität – Personalität im Sinne Guardinis meint den Menschen in der personalen Beziehung zu Gott - wurden zum Inhalt unserer weiterführenden Gespräche an der Fachhochschule.
 
Im Zuge meiner Recherchen zur Diplomarbeit begab ich mich auf Spurensuche auf die Burg Rothenfels am Main, der ehemaligen Wirkstätte Romano Guardinis in den 1920-er Jahren und einer zeitgemäßen Kultur- und Bildungsstätte für Erwachsene in der Gegenwart. Mit meiner Teilnahme an einer „Barockmusik-Werkwoche“ stöberte ich während der Freizeit in der Burgbibliothek im Turm nach Originalschriften von und über Guardini. Im dortigen Buchladen schaute ich nach neueren Guardini-Werken. Auf der Pfingsttagung davor begegneten mir Menschen, die Romano Guardini noch persönlich erlebt hatten.
 
Wie habe ich nun Dich, Manfred Hermanns, als Professor erlebt?
 
In hochgewachsener Gestalt und Größe, in aufrechter Haltung, Deine Individualität durch einen markanten schwarzen Bart betont, verkörpertest Du durch Deine Person einen Geisteswissenschaftler alter hoher Schule. Du gebotest Deinen StudentInnen das "Sie". In der Anrede mochtest Du ohne akademische Titel einfach "Herr Hermanns" sein. Du begegnetest Deinen StudentInnen in einer besonderen Art von Aufmerksamkeit und Zuwendung. Es war eine personale Begegnung, die Raum gab für ein "Zwischen" - Zwischenraum für die Ausstrahlung von Personalität und Persönlichkeit.
 
Anders als in manchen Lehrveranstaltungen an der Fachhochschule, boten Deine Seminare Raum und Rahmen, Themen dialogisch zu erarbeiten und zu entfalten. Durch Deine Person, durch Deine einzigartige Personalität gabst Du inspirierende Begleitung und kompetente Unterstützung, Themen vertiefend in vollendete Form wissenschaftlicher Arbeit zu bringen. Du vermochtest in besonderer Fähigkeit, StudentInnen in ihrem Personsein und Personwerden auf ihre Ziele hin zu fordern und zu fördern.
 
In diesem Klima konnte meine Diplomarbeit mit Dir als "Diplomvater" entstehen. Ich war Deine erste Diplomandin in Hamburg. Du beurteiltest meine Arbeit mit einem "fast sehr gut" - die Co-Gutachterin, die Psychologin Professorin Eva Woronowicz, bewertete sie mit einem vollen "sehr gut" und mit "auszeichnungswürdig".
 
Du gabst mir die Anregung, daraus eine Publikation unter dem Titel "Die Bedeutung Romano Guardinis für die Sozialpädagogik und Sozialarbeit" zu verfassen. Durch Dich kam mein 41-seitiger Aufsatz über Dr. Karl Hugo Breuer als Verleger ins "Jahrbuch für Jugendsozialarbeit" (Band XIII./ 1992). Dieser Artikel wurde von Eugen Biser, ehemals Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München auf dem früheren Romano-Guardini-Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie, als eine der besten Arbeiten über Guardini bezeichnet.
 
Nach meiner Diplomierung als Sozialpädagogin ging ich ins Berufspraktikum zur Staatlichen Anerkennung an die Hamburger Volkshochschule in den Fachbereich Gesellschaft und Politik. Dort plante, organisierte und begleitete ich Bildungsurlaube, zum Teil in auswärtigen Tagungshäusern. Dabei handelte es sich um Bildungsangebote zur Situation von Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft. Darüber hinaus bot ich Kurse an zum Thema „Person im Mittelpunkt der Wirklichkeit“. Mein Prüfungsprojekt war ein eigenes einwöchiges Romano-Guardini-Kolloquium auf Burg Rothenfels. Daraus entstand die Kolloquiumsarbeit „Person in der Spannung von Individuum und Gesellschaft - Pilotprojekt einer person-orientierten enantiologischen Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Erwachsenenbildung an der Hamburger Volkshochschule“. Darüber blieben wir weiter im professionellen Kontakt und Austausch.
 
Bei Dir kam die wissenschaftliche Aufarbeitung von Leben und Werk des Caritaswissenschaftlers Heinrich Weber in den Brennpunkt. Du gründetest – u. a. mit einigen StudentInnen der Fachhochschule - den "Heinrich-Weber-Forschungskreis e. V.". Zu den Gründungsmitgliedern gehörte auch ich. In einem Grußwort auf der 2011 entstandenen Internetseite habe ich Gedanken von Heinrich Weber übertragen in den Zeitgeist unserer Tage: Der Geist der Liebe ist die Grundlage jeder sozialen und sozialpädagogischen Arbeit – ob im theoretisch-praktischen Studium oder in der angewandten Arbeitspraxis in den unterschiedlichen Berufsfeldern von Wohlfahrtspflege, Staat und Wirtschaft. „Aus dem Geist der Liebe kann die Liebestat hervor wachsen, und die Liebestat wird umso freudiger und reicher, je tiefer und wahrer der Geist der Liebe ist.“
 
Im Jahre 2000 stand Dein Abschied aus dem Berufsleben an. Als eine von wenigen ehemaligen Studentinnen hattest Du mich zur Akademischen Feier ins St. Raphaels-Hotel eingeladen. Ich erinnere mich an die Festrede von Dr. Karl Hugo Breuer, den ich in diesem Zusammenhang noch persönlich kennenlernen durfte. In seiner Laudatio würdigte er mit viel Esprit Deine Persönlichkeit als Mensch und Hochschullehrer und dazu Deine hervorragenden, außergewöhnlichen Verdienste in der Jugendsozialarbeit sowie Deine zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten.
 
Lieber Manfred, Du warst mir einst ein hochgeschätzter und auch verehrter Professor.
Jetzt bist Du mir ein lieber Freund und Weggefährte.
Dafür danke ich Dir.
Mögen Menschen, die Du liebst und die Dich lieben, Dein weiteres Leben begleiten.
Möge Gottes Licht und Segen mit Dir sein.
Lasse Dich beschenken von schöpferischer Inspiration und Schaffenskraft.
Lasse Dich heute zu Deinem Ehrentag feiern und feiere Du das Leben.
 
Ich schließe den Gedankenkreis mit einem Guardini-Wort, das mir zu Weihnachten 2015 im Gästehaus der Benediktinerabtei Münsterschwarzach in meinem Zimmer auf einem dort ausgelegten Lesezeichen begegnete:

"Jeder Tag ist ein Tag Deines Lebens,
ob er glücklich wird, hängt nicht so sehr von äußeren Umständen ab,
als vielmehr von der Durchlässigkeit für das innerste Licht Deines Wesens."

So lasse Du das Licht Deines Wesens leuchten und sei herzlich gegrüßt zu Deiner 80-Jahre-Feier.

Kirsten Mauss

Bürgerreporter:in:

Kirsten Mauss aus Hamburg

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