Ich denke oft an Fuzzi!

Da ritt ein Westernheld in meiner Jugend über die Leinwand. Klein, bärtig, meist auch tollpatschig, aber treffsicher, auch schon mal ungewollt, aber am Ende siegreich und beklatscht. Den meine ich nicht. In Olpenitz gegenüber von Maasholm landete ich in diesem Sommer nach einer Sturmfahrt mit meinem Kajak am Campingplatz an. Das kleine Zelt schlug ich unter einer dicken Weide auf. Gleich hinter der Hecke eines Wohnwagens, der als Nummernschild den Namen „Fuzzi“ trug. In der Nacht zurrte der Wind so an meinem Zelt, dass ich mich schon als „fliegenden Holländer“ sah, aber dennoch den Morgen unbeschadet erreichte.

„Fuzzi“ hatte einige lustige Installationen hinter seiner Hecke. Obenauf saß eine Möwe im Nest, neben dem Eingang hing eine Wathose mit den Stiefeln nach oben und wohl auch irgendwo eine Reuse. Er ist ein Angler, der „Fuzzi“, dachte ich, denn mir war klar geworden, dass nicht der Wohnwagen diesen Namen trug. So erkannte ich ihn auch in den Tagen danach. Er war klein, lächelte verschmitzt und hatte diese sympathische Ausstrahlung wie mein Westernheld. Sein Bart hatte nicht diese Mächtigkeit wie bei seinem Wildwestverwandten, passte aber dennoch zur Gesamterscheinung. Inzwischen hatte ich mein Zelt wieder abgebaut und war in den nachgeholten Bulli umgezogen, der ganz hinten auf der „Urlauberwiese“ stand. Die kleine Wiese unter der Weide hatte „Fuzzi“ inzwischen gemäht. Ein großes Herz war dort im kurzen Gras eingemäht. „Für meine Frau ist das“, erklärte mir Fuzzi.

Ein paar Schritte weiter befand sich die Campingplatz-Gaststätte. Auch dort auf dem Stammtisch fand sich eine interessante Installation zum Thema „Angeln“. Sie sei von Fuzzi, dem Angler, wie es fast alle Dauercamper hier auf dem Platz seien, erklärte mir der Wirt. Dieser Wirt ist Türke. Er war mein erster hilfreicher Kontakt, als ich aus dem Kajak kletterte und der letzte, dem ich die Hand schüttelte beim Abschied. Seine über 80-jährige Mutter lebe in Bodrum. Er besuche sie in jedem Winter und freue sich dann, nicht nur sie, sondern auch die Heimat wiederzusehen. Vielleicht übermittelt er ja wirklich der alten Dame meine Grüße. Sie könne stolz auf ihren tüchtigen und freundlichen Sohn sein, habe ich wohl meinen Grüßen hinzugefügt. Sein Essen und die Getränke waren wirklich ausgezeichnet. Noch mehr schätzte ich seine stille Freundlichkeit und die vielen kleinen Gespräche, die wir zusammen hatten. Besonders eingeprägt hat sich mir sein unaufdringliches Lächeln, das seine Persönlichkeit im Gesicht spiegelte. In allem, was er tat, strahlte er eine innere Ruhe aus. Nach einem guten Essen brachte er gelegentlich noch in eine weiße Serviette eingeschlagene Erdnüsse, die er selbst gebrannt habe. Umgeben von süßem Puderzucker waren sie ein Genuss.

Wir sprachen über den Weltfrieden und die Zufriedenheit der Menschen. Beides wären erstrebenswerte Ziele. Er habe seinen hier an der Ostsee gefunden. Die Menschen seien freundlich und der Blick hinüber nach Schleimünde und hinaus auf die Ostsee sei auch freundlich stimmend. Im Dorf Olpenitz erstand ich für zwei Euro ein gebrauchtes Buch zum Thema Weltfrieden, verfasst von Carl-Friedrich von Weizäcker, „Die Zeit drängt“. Sicher war das kein Zufall. Ich schenkte dem Wirt mein erstes Buch „Lesebuch“ und schrieb ihm eines meiner Gedichte auf das Blatt eines Malbuches, das er mit Buntstiften für die Kinder bereithielt. Ohne viele Worte zeigte mir das Strahlen in seinen Augen, wie sehr er sich geehrt fühlte.

Beim Abschied bestellte ich wie an jedem Nachmittag einen Pfefferminztee. Als ich zahlen wollte, überreichte er mir eine Dose Erdnüsse, denn er wusste, dass ich sie mag. Dazu erhielt ich noch eine Serviette mit seinen gebrannt Erdnüssen. „Das ist für die lange Fahrt“, sagte er. Nein, er wolle keine Bezahlung, auch nicht für den Tee, denn es sei eine Sache der Ehre für ihn. Wir sollten uns einmal wiedersehen, versicherten wir uns. Als ich zuhause ankam, waren die Nüsse alle verzehrt, doch geblieben ist meine Erinnerung an einen liebenswerten Türken und natürlich an „Fuzzi“. Der übrigens liest in meinen Büchern „Ich war noch nie in Afrika“ und „Wir sollten uns lieben“. Ich gab sie ihm als Dank für sein wohltuendes Wirken auf dem Campingplatz der Angler.

Für mich war es auf absehbare Zeit meine letzte Begegnung am Ostsee-Fjord Schlei. Deshalb sind Erinnerungen so wichtig, weil es Landschaften und ganz besonders Menschen sind, die unser Bild von der Welt prägen. Die Menschen sind Fremdlinge, bis sie uns dann gegenüberstehen und wir erkennen, wie wichtig sie für uns sind.

Bürgerreporter:in:

Gerhard Falk aus Dautphetal

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