Offener Strafvollzug, was ist denn das ?

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Auf der Suche nach neuem Wissen, begaben sich die Schöffen aus dem Großraum Hannover unter Leitung von Frau Minthe diesmal nach Göttingen. Der Offene Vollzug Göttingen besteht schon seit 1982. Seit 01.10.2010 ist er eine Abteilung der Jugendanstalt Hameln. Jugendliche und junge Erwachsene (Durchschnittsalter 19,8 Jahre) werden hier aufgenommen .

Den genauen Hintergrund erklärte uns Herr Löprick ausführlich bei der Führung durch sein „offenes Gefängnis“. Es ist zuständig für Ersttäter mit einer Jugendhaftstrafe bis 3 1/2 Jahren. In Niedersachsen werden alle verurteilten Jugendlichen, die diese Kriterien erfüllen, im Offenen Vollzug in Göttingen aufgenommen. In der Aufnahme des offenen Vollzugs wird über Eignung entschieden.

Auch wenn die Anlage in der sich die Insassen teilweise frei bewegen können nicht verschlossen ist, wird ihnen klar gemacht, das ein Fluchtversuch sie sofort in den geschlossenen Strafvollzug bringen wird. Die Inhaftierten sollen einerseits deutlich merken, das dies hier eine Haftstrafe ist, aber das gemeinsame Ziel ist es, sie wieder auf einen geraden Weg zu bringen! Zu Beginn erfolgt eine maximal dreiwöchige Aufnahme in der die Ziele gesteckt werden und ein Entwicklungsplan erstellt wird. Die Unterbringung erfolgt ausschließlich in Wohngruppen mit Einzelhafträumen. Doppelte Belegung während der Aufnahmezeit setzt die Bereitschaft der Probanden voraus.

Hier herrscht ein strenger Tagesplan und von jedem wird Pünktlichkeit erwartet. Das Personal ist knapp geplant und hat vielfältige Aufgaben, wodurch sich auch fachübergreifende Tätigkeiten ergeben. Ein fester Rahmen, aber bei dem vielfältigen Tagesgeschehen muss jeder flexibel bleiben, um schnell auf plötzliche Änderungen reagieren zu können - ein eingespieltes Team ist hierbei wichtig ! Es wird eine feste Struktur bei den Gefangenen aufgebaut, der morgendliche Dienstantritt mit gepflegtem Auftreten ist ebenso Pflicht, wie Freundlichkeit und Achtung, den anderen gegenüber. Hierbei werden „Bonuspunkte“ vergeben, die sich später positiv auswirken, indem sich Freizeitphasen/Lockerungen außerhalb der Anlage erarbeiten lassen, eine gute Note !

Genauso gehört es dazu, das der Betroffene sich bewusst mit seinem Tathergang auseinandersetzt. Zum Beispiel in Rollenspielen unter fachlicher Anleitung wird dies für alle noch einmal vertieft. Das Feedback aus der Gruppe regt dazu an, sich damit auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, das das Ereignis auch von dem Täter hier noch einmal nachvollzogen wird, um es besser zu verarbeiten und daraus zu lernen.

Berufliche Perspektiven lassen sich auch hier finden. In den Werkstätten bestaunten wir die hervorragende Arbeit im Metallbau und der Tischlerei. Gärtner werden hier ausgebildet und die Fachleute in Küche und Gastronomie durften wir beim Mittagessen testen. Bei dem freundlichen Auftreten, haben wir das leckere Essen gut genossen. Jeder kann einen neuen Weg finden, den er aber meistens draußen fortsetzen muss, da die Zeit bis zum Meister seiner Klasse hier nicht reicht.

Nicht nur die Arbeit, auch die Freizeit und der Sport zur Gesundheitsförderung wird eingeplant. Zusätzlich kann neues Wissen erlangt werden, es finden z.B Förderkurse zum Schreiben und Lesen statt, sozialpädagogische Arbeiten sollen neue Wege für die Zukunft finden und rechtzeitig wird der große Sprung in die Freiheit vorbereitet. Eine Bezugsperson aus dem persönlichen Umfeld soll dies erleichtern. Wenn der Auszug geplant wird, muss ein Anlaufpunkt für das sichere Ziel gefunden werden, dies sollte rechtzeitig festgelegt werden.

Zum Schluss führten wir noch interessante Gespräche mit zwei inhaftierten „Insidern“. Hierbei merkten wir schnell, das jede Kleinigkeit zum Problem werden kann. Aus dem 400 km entfernten Papenburg kam ein „Gast“ der uns berichtete, das das Inline-Skaten im Vollzug in Göttingen leider aus versicherungstechnischen Gründen verboten ist. Was tut man jetzt mit der Freizeit …

Nach der Entlassung geht es wieder in die Freiheit. Auch bei bester Vorbereitung auf die Entlassung braucht es oft noch weitere Betreuung, da noch nicht jeder ein Senkrechtstarter geworden ist. Die jungen Menschen fühlen sie hierbei oft erst einmal fallengelassen, die Justiz ist nicht mehr zuständig, die Jugendhilfe auch nicht, es ruft das Arbeits- und Sozialamt, hoffentlich wird es trotzdem ein erfolgreicher Neustart !

Wir wissen, dass die Wiedereingliederung nach geschlossenem Strafvollzug oft nicht gelingt. Die ehemaligen Inhaftierten bleiben oftmals neben der Gesellschaft. Hoffentlich haben die jungen Erwachsenen nach dem offenen Vollzug eine neue Perspektive, eine bessere Chance zum Alltag zurückzufinden.

Vielen Dank für den Blick hinter die Kulissen, für die fachkundige Führung, den Service während unseres Besuches und den freundlichen Bewohnern, die uns einen Einblick gewährt haben.

Hier bei uns in Deutschland gibt es keine Verurteilung ohne die Stimme eines Schöffen.
Wir wollen genau wissen was wir tun, bevor wir den Hammer neben den hauptamtlichen Richtern fallen lassen, denn unsere Stimmgewalt ist gleichstark !

Bürgerreporter:in:

Steffen Liekefett = dl1osl aus Hannover-Bothfeld

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