Kicken in der deutschen Provinz – Fußball-Nationalspieler in der Oberliga

Dmitrij Peil vom TSV Gersthofen | Foto: TSV Gersthofen
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Sie kommen vorwiegend aus Flüchtlingsgebieten wie Afghanistan, Albanien und Afrika. In den Niederungen des Amateurfußballs verdienen sie einige Euro durch Fußball. Parallel bestreiten sie Länderspiele für ihr Heimatland. Doch nicht alle ausländischen Nationalspieler, die ihre Stollenschuhe in der fünften Liga schnüren, haben ihre Karriere im Asyl begonnen.

Bekanntester Kicker in der fünften Liga ist derzeit Serhat Akin. In 16 Länderspielen für die Türkei hat er drei Tore erzielt. Am 5. Juni ist der Rechtsaußen 32 Jahre alt geworden. Am 16. November 2005 lief er noch für sein Land gegen die Schweiz auf. Damals trat er für den RSC Anderlecht gegen die Pille, davor kickte er fünf Saisons für Fenerbahce Istanbul. Dorthin war er im Jahr 2000 von der zweiten Mannschaft des Karlsruher SC gewechselt. Beim KSC kickte er auch von 2009 bis 2011, auch bei den Amateuren. Der Offensivspieler feierte mit seinen Teams drei türkische und zwei belgische Meisterschaften. Aktuell steht der verletzte Akin beim TSV Grunbach in der Oberliga Baden-Württemberg unter Vertrag.

Ex-Profis im Sinkflug: Büchel, Ouédraogo, Ouattara

Unter den großen Namen in deutschen Oberligen finden sich gestandene (ehemalige) Nationalspieler, teils im besten Fußballeralter. Erfahrungen im Profifußball haben auch Alassane Ouédraogo und Moussa Outtara. Beide Kicker aus Burkina Faso (62 bzw. 28 Länderspiele) haben ihren Zenit überschritten (32 bzw. 31 Jahre alt). Sie stehen nicht mehr im Kader der Nationalmannschaft und sind inzwischen auch weit von der 2. Bundesliga entfernt. Dort kickte Mittelfeldmann Ouédraogo 70 mal, hauptsächlich für Rot-Weiß Oberhausen, während Innenverteidiger Ouattara auf 61 Zweitliga-Einsätze für den 1. FC Kaiserslautern kommt. Der Ex-Lauterer spielt mittlerweile beim SV Schermbeck in der Oberliga Westfalen, Landsmann Ouédraogo für die SpVgg ESC Wirges in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar. Der defensive Mittelfeldspieler Martin Büchel ist ein weiteres Beispiel, wenngleich der frühere Profi des FC Zürich den Durchbruch nicht so richtig schaffte. Gerade einmal 26 Jahre alt, hat der Spieler des Bayernligisten FC Unterföhring bereits 40 Länderspiele auf dem Buckel. Allerdings für das kleine Liechtenstein. Für sein Land lief er zuletzt im Februar 2012 gegen eine weitere Fußball-„Großmacht“ auf – Malta – und erzielte den Führungstreffer. Sein Team unterlag im Duell der Fußball-Zwerge 2:1.

Exoten aus Kuba, Dominica und El Salvador

Kanada, Kuba und Dominica zählen ebenfalls nicht zu den Großmächten des Weltfußballs. Dennoch haben drei ehemalige Nationalspieler dieser Länder den Weg nach Deutschland geschafft. Genau genommen war Terry Galloway (2 Länderspiele für Dominica laut transfermarkt.de) schon als kleiner Steppke Mitglied in deutschen Fußballvereinen. Der 32-Jährige kurbelt die Offensive des Mittelrhein-Ligisten Hilal Maroc Bergheim an. Lázaro Alfonso hat dagegen keine Fußball-Vergangenheit in Deutschland. Der Kubaner in Diensten des SC Langenhagen in der Oberliga Niedersachsen wird ebenfalls als ehemaliger Nationalspieler geführt. Aus Toronto wechselte Maycoll Canizales-Smith 2001 zu Werder Bremen II. Eine Bundesliga-Karriere bliebt dem Mittelfeldspieler allerdings verwehrt. Inzwischen läuft der 30-Jährige in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar für den SV Roßbach/Verscheid auf. Für Kanada erzielte Canizales-Smith in fünf Partien ein Tor. Geboren ist er allerdings in El Salvador – dem Land, das für den Fußball-Krieg mit Honduras bekannt wurde.

Iraner mit krasser Torausbeute

Im Gegensatz zu den bisher genannten Kickern steht Iman Bi-Ria in der Blüte seiner Laufbahn. Der 29-jährige Stürmer aus dem Iran hat zwar laut transfermarkt.de nur zwei Tore in sechs Länderspielen erzielt, seine Trefferbilanz in der Bremenliga ist dafür saisonübergreifend phänomenal: In 52 Spielen für den Bremer SV netzte Bi-Ria 67 mal ein. Toptorjäger seiner Mannschaft ist auch Issam Aledrissi – genannt Issa Issa - vom KFC Uerdingen, Tabellenführer in der Oberliga Niederrhein. Kurios ist, dass der dreifache libanesische Ex-Nationalspieler im defensiven Mittelfeld aufläuft, zusammen mit dem zweifachen Nationalspieler der DR Kongo, Kosi Saka. In der gleichen Liga stürmen der zweifache kongolesische Nationalspieler Yannick Salem für den 1. FC Wülfrath und der Albaner Bekim Kastrati für TuS Bösinghoven. Dessen Landsmann Arijan Berisha, ebenfalls mit Länderspielen auf dem Konto, lässt seine Karriere bei der TSG Pfeddersheim – einem Stadtteilverein aus Worms - ausklingen.

Nationalspieler ohne FIFA-Länderspiel

Beim TSV Gersthofen in der Bayernliga Süd zieht Dimitrij Peil die Fäden. Der 32-Jährige hat fünf Partien für Kasachstan absolviert. In der FIFA-Statistik sind seine Länderspiele allerdings nicht aufgeführt, denn damals war Kasachstan noch kein Mitglied des Fußball-Weltverbandes. Ohne internationalen Einsatz ist auch Sandjar Ahmadi. Der 21-jährige Mittelfeldspieler des Hamburger Oberligisten SC Vier- und Marschlande gehört aber zum aktuellen Aufgebot Afghanistans. Rechtsverteidiger Mustafa Hadid von Altona 93 hat sogar schon sechs Partien für das vom Krieg zerrüttete Land bestritten, zuletzt 2011 gegen Palästina. Beide Afghanen sind Flüchtlingskinder, die in Deutschland das Kicken gelernt haben und dort zu Nationalspielern aufstiegen.

Drei Typen Oberliga-Nationalspieler

Anders verhält es sich bei den drei Afrikanern Musemestre Bamba, Cédric Ebewa-Yam Mimbala und Joseph Fameyeh. Stürmer Fameyeh war Spieler des Jahres 1998 in Ghana. Mit 15 Länderspielen im Gepäck zog es ihn im Jahr 2000 zum TSV Crailsheim. In neun Jahren erzielte er für den Oberligisten 250 Tore. Mit 34 Jahren ist er zwar immer noch in Baden-Württembergs höchster Spielklasse tätig, kommt beim FSV Hollenbach aber nur selten zum Einsatz. Bamba führte ebenso der Fußball nach Deutschland. Der dreifache Nationalspieler aus der DR Kongo hat 173 Zweitliga-Partien auf dem Buckel. Der Ergänzungsspieler vom SC Roland Beckum in der Oberliga Westfalen zählt mittlerweile 41 Lenze und hat die Stollenschuhe gerade an den Nagel gehängt, um dort Co-Trainer zu werden. Sein Landsmann Mimbala ist in Bonn geboren. Der 26-jährige Innenverteidiger hält die Defensive beim VfR Mannheim zusammen. Davor wurde er in der NRW-Liga bereits zwei Mal suspendiert. Länderspiele hat er trotzdem in der Vita stehen, mindestens vier sollen es unterschiedlichen Quellen zufolge sein. Es gibt also drei Arten von Nationalspielern in deutschen Oberligen. In Deutschland geborene Ausländer, die hier offenbar eine bessere Fußball-Ausbildung bekommen als in der Heimat ihrer Eltern und sich ins Visier ihres Verbandes spielen. Die zweite Kategorie sind Asylbewerber bzw. Kinder von Flüchtlingen, für die Ähnliches gilt. Ihre Brötchen verdienen diese beiden Spielertypen aber nicht unbedingt als Profifußballer. Im Gegensatz zur dritten Kategorie: Ausländische Profis, die zum Kicken nach Deutschland wechseln. Sobald diese in der Oberliga angekommen sind, haben sie ihren Karrierehöhepunkt allerdings hinter sich. (Stand: Saisonabschluss 2012/2013)

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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