Die beiden Gesichter des Wernher von B.

Von links: Dr. Jens-Christian Wagner, Josef Pröll, Dr. Bernhard Lehmann - auf dem Bild ein unbekannter Zwangsarbeiter
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Das Ballonmuseum Gersthofen hat sich in den letzten Jahren nicht nur zu einem Mekka für den Ballonsport und seinen Freunden entwickelt, sondern sich auch einen guten Ruf als Begegnungsstätte bei Themen aus Unterhaltung und Zeitgeschehen erworben. Insofern passt die derzeitige Ausstellung „Zwangsarbeit für den Endsieg“ gut zu dem Angebot bisheriger Veranstaltungen. Gezeigt wird das Leiden und Sterben der Zwangsarbeiter im KZ Mittelbau Dora. Der Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie e. V. Augsburg“, Veranstalter der Ausstellung, hat zusammen mit Dr. Bernhard Lehmann und dem Kulturamt der Stadt Gersthofen die Wanderausstellung nach Gersthofen geholt. Die Eröffnung der Ausstellung war gut besucht; im Gegensatz zur Anwesenheit von nur wenigen Stadträten sowie Erstem Bürgermeister Jürgen Schantin.

Schantin führte in seiner Begrüßungsrede u. a. aus, er wolle mit dieser Ausstellung ein Zeichen als „Brückenbauer“ setzen zu „Differenzen“ in früheren Jahren. Er sprach dem Kulturamt sowie Dr. Bernhard Lehmann seinen Dank für das Zustandekommen der Ausstellung aus. Gleichzeitig wies er auf eine Fortsetzung der Thematik „Widerstand im 3. Reich“ mit dem Film „Jeder stirbt für sich allein“ hin, der am 14. März 2015 im Ballonmuseum aufgeführt werden soll. Dr. Lehmann stellte in seinen Ausführungen die Widerstandskämpfer aus der Familie Pröll vor; zuletzt Anna Pröll, die lange Jahre in Gersthofen lebte. Er verwies auf den früheren Gersthofer Rüstungsbetrieb „Transehe“, einem Tochterunternehmen der IG Farben, das den Treibstoff für die V1- und V2- Raketen herstellte; eben die Raketen, die in dem KZ Mittelbau Dora von Zwangsarbeitern gebaut wurden. In einem bewegenden Vortrag schilderte Josef Pröll das kurze Leben seines Onkels und Widerstandskämpfers Fritz Pröll, der im KZ Dora starb.

Als letzter Redner „beleuchtete“ Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora, das Leben des Raketenbauers Wernher von Braun. Von Braun hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Vergeltungswaffen V1 und V2 und war nach dem Krieg in Amerika hoch angesehener Wissenschaftler, der mit seinem Know How über Raketenantrieb, im 3. Reich erworben, die Mondlandung durch amerikanische Astronauten ermöglichte. Wagner ging der Frage nach: Wie verhielt sich von Braun angesichts der Kenntnis von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen, welchen die Zwangsarbeiter beim Bau der Produktionsstätten und Raketen ausgesetzt waren? Tatsache ist, dass er in der Produktion der „Vergeltungswaffen“ im KZ Mittelbau Dora eingebunden war. Es gibt Fotos, die ihn bei einem Besuch des KZ`s zeigen. Braun hatte Zugang zu Heinrich Himmler, dem als Reichsführer die SS unterstand. Die SS wiederum sorgte für Nachschub an Häftlingen für den Bau der Produktionsstätten wie z. B. Mittelbau Dora – eine frühe Form des Menschenhandels. Braun suchte selbst die Spezialisten für die Raketenmontage aus. Er wusste also von den grausamen Bedingungen unter denen die Zwangsarbeiter und Häftlinge arbeiten mussten. Er sah aber als Technokrat und Wissenschaftler nur „seine Raketen“, die er einmal als „notwendige Etappe zur Weltraumfahrt“ bezeichnete. Der mit dem Ritterkreuz ausgezeichnete von Braun rechtfertigte später sein Verhalten u. a. mit dem Hinweis, dass man in Kriegszeiten seinen Mann stehen müsse; entweder als Soldat oder als Ingenieur, wie in seinem Fall.

Mit dieser Ausstellung wird Wernher von Braun mit seinem „Zweiten Gesicht“ vorgestellt, das in der Geschichtsschreibung oft zu kurz kommt. Vielleicht die Ursache dafür, dass immer noch Straßen und Schulen seinen Namen tragen. Ein Affront gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen. Trotz allem findet Josef Pröll in seiner Rede versöhnliche Worte: „Lassen Sie uns gemeinsam die Völkerverständigung mit dem Blick nach vorne ausbauen.“ Die sehenswerte Ausstellung ist vom 1. Juli bis 25. Juli 2013 während der Öffnungszeiten des Ballonmuseums geöffnet.

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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