„Ich will ein klares Votum für oder gegen die Strasser-Villa“: Viele Themen prägten das Jahr in Gersthofen – Bürgermeister Michael Wörle lässt im Interview 2016 Revue passieren

Gersthofens Erster Bürgermeister Michael Wörle
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myheimat: 2015 war das Jahr, als die Flüchtlinge kamen. 2016 das Jahr der Integration. Wie gelingt das bisher in Gersthofen?

Michael Wörle: Die Flüchtlingsthematik bzw. die teils sehr spontanen Ankünfte von Asylbewerbern hat uns, wie eine Vielzahl von Kommunen deutschlandweit, vor große Herausforderungen gestellt. In Gersthofen hat sich damals kurzfristig, sozusagen aus der Not heraus, ein Helferkreis gebildet. Dieser hat dann nach und nach an Struktur gewonnen und wird nun über ein extra geschaffenes Stundenkontingent im Rathaus von Mitarbeitern betreut. Außerdem gibt es mit dem ZEBI, dem Freiwilligenzentrum der Stadt Gersthofen, eine weitere Anlaufstelle für ehrenamtliche Helfer, die sich gerne im Thema Asyl einbringen möchten. Wir konnten also ein Paket schnüren, welches verschiedene Bedürfnisse, von Sprachkursen, über Hilfe bei Behördengängen, Arztbesuchen etc. bis hin zu Unterstützung bei der Wohnungs- oder Jobsuche, abdeckt. Das alles ist nur dank des großen ehrenamtlichen Engagements möglich, dafür möchte ich mich an dieser Stelle nochmals ausdrücklich bedanken.

myheimat: In Gersthofen fehlen Wohnungen. Insbesondere bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Ist für das nächste Jahr eine Entspannung in Sicht?

Michael Wörle: Diese Problematik zieht sich ebenfalls wie ein roter Faden durch etliche Städte und Gemeinden. In Gersthofen arbeiten wir aktuell an verschiedenen Projekten, um die Lage etwas zu entspannen. Ganz konkret befindet sich das Areal Praktiker in Planung, welches durch einen Investor bebaut wird und unter anderem geförderten Wohnungsbau enthalten soll. Außerdem fand Ende November das Richtfest der WBL-Wohnanlage in der Erfurter Straße statt, dort geht es also auch zügig voran. Weiter stellt die Stadt im Bereich Ostend-/Roseggerstraße einige Grundstücke zur Verfügung. Diese werden veräußert und mit Reihen- und Doppelhäusern sowie mit Geschoßbau bebaut. Die erste Veräußerungsphase ist bereits im letzten Jahr erfolgt, weitere Verkäufe folgen. Die neuesten Informationen hierzu erhalten Interessenten jeweils über unsere Homepage.

myheimat: Fast schon ein Dauerthema sind fehlende Krippen- und Kindergartenplätze. Wie löst die Stadt dieses Problem?

Michael Wörle: In diesem Bereich waren wir im Jahr 2016 besonders aktiv. Die stetig steigende Nachfrage beeinflusst unsere Planungen natürlich immens, darum schaffen wir aktuell bereits drei neue Gruppen für Kinderbetreuung. Insgesamt sollen bis voraussichtlich April 2017 eine zusätzliche Kindergarten- sowie eine Krippengruppe und eine Maxi-Gruppe (für Kinder von 2 bis 6 Jahren) entstehen. Auch bei der Mittagsbetreuung und im Hort gab es in diesem Jahr einen erhöhten Bedarf. Hierauf haben wir im Ad-hoc-Verfahren reagiert und in nur 90 Tagen insgesamt 80 Betreuungsplätze in der Pestalozzischule und dem Ulrichshort generieren können. Dies war möglich, da alle Beteiligten Hand in Hand arbeiteten und ein überdurchschnittliches Engagement zeigten - von unseren Mitarbeitern der Kindergartenverwaltung und dem Bauamt bis hin zu den Entscheidern im Landratsamt.

myheimat: Auf dem Bahnhofsareal geht es vorwärts: Im Frühjahr rückten die Bagger an und rissen das marode Bahnhofsgebäude ab. Können Sie kurz die weiteren Planungen skizzieren?

Michael Wörle: Nachdem im Stadtrat Konzeptdetails zu Funktion und Gestaltung des Bahnhofsareals festgezurrt wurden, werden die Fachplanungen nun genehmigungsreif ausgearbeitet. Involviert sind hier Verkehrsplaner, Bauingenieure, Ausrüstungsingenieure für die technische Infrastruktur und Landschaftsarchitekten. Gleichzeitig finden von Seiten der Verwaltung Koordinierungsgespräche mit der Deutschen-Bahn-AG statt, um die planerisch herausgearbeiteten, technischen und finanziellen Zuständigkeiten aufzuteilen. Vor allem die sofortige barrierefreie Herstellung der Bahnsteige, welche sich ja im Eigentum der Bahn befinden, ist der Stadt Gersthofen ein äußerst wichtiges Anliegen bei diesen Verhandlungen. Sobald wir all diese Punkte ausgearbeitet haben, werden wir mit dem Ausschreibungsverfahren starten und den Baubeginn somit weiter vorantreiben.

myheimat: Die Anwohner der westlichen Stadtteile beklagen sich über Autobahnlärm. Gibt es Pläne für den Lärmschutz?

Michael Wörle: Die A8 ist für uns als starken Wirtschaftsstandort eine tragende Säule für den Erfolg, doch wir dürfen die Bedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger nicht aus dem Auge verlieren. Der Fokus muss neben der Wirtschaftsstärke natürlich auch weiterhin beim Thema Wohnkomfort und Lebensqualität liegen. Ich stehe darum in stetigem Austausch mit Bürgermeistern aus weiteren betroffenen Städten entlang der A8. Ich hoffe darauf, dass wir gemeinsam Lösungen finden können, die allen Beteiligten weiterhelfen.

myheimat: Nach jahrelangem Tauziehen um das „Gersthofer Loch“ ist nun klar: Es wird einen Bürgerentscheid über die Zukunft der Strasser-Villa geben. Warum befürworten Sie das? Der Gersthofer Stadtrat hat sich ja eindeutig für eine Gestaltung der Stadtmitte ohne Strasser-Villa ausgesprochen.

Michael Wörle: Das Thema erhitzt die Gemüter in Gersthofen seit vielen Jahren. Wenn die Bürgerinitiative wie damals ausreichend Unterschriften für den Erhalt der Villa sammelt, heißt das für mich, dass es Bürger gibt, die mitreden wollen. Damals hat sich der Stadtrat dem Willen der Bürgerinitiative gebeugt, aber die anderen Bürger, die sich eventuell anders ausgesprochen hätten, wurden nicht gehört. Ich will ein klares Votum für oder gegen die Strasser-Villa – und diesen Bürgerwillen werde ich nicht umgehen.

myheimat: Angenommen, die Bürger entscheiden sich für den Erhalt der Strasser-Villa. Wie geht es dann weiter?

Michael Wörle: Grundsätzlich hat das Ergebnis des Bürgerentscheids eine formelle Bindungsfrist von einem Jahr. Ich spreche mich sehr für eine hohe Wahlbeteiligung beim kommenden Bürgerentscheid aus. Der Wille der Bürger muss hier gehört werden. Ob eine Bebauung der freien Flächen auch ohne das Grundstück der Strasser-Villa kommt - das liegt in erster Linie an dem Bauunternehmer Peter Pletschacher. Es steht ihm als Investor natürlich frei, der Stadtverwaltung und dem Bauausschuss neue Pläne für eine Bebauung der Grundstücke, welche sich bereits in seinem Besitz befinden, vorzulegen.

myheimat: Sprechen wir über die Pläne, für die sich der Stadtrat ausgesprochen hat, die sogenannte Variante C. Anstelle der Strasser-Villa soll ein „Goldener Kulturwürfel“ entstehen. Ideen, wie dieser mit Leben gefüllt werden kann, können die Bürger im eigens eingerichteten Infobüro einbringen. Wie wird das angenommen? Was gefällt Ihnen an der Varianten C?

Michael Wörle: Auch hier geht es um das Thema Bürgerbeteiligung. Wenn der Abriss der Strasser-Villa kommt und damit die Neubebauung an dieser Stelle, ist es natürlich sinnvoll die Bürger zu fragen, was sie anstelle des jetzigen Kulturamts gerne für Angebote sehen möchten. Generell brauchen wir in Gersthofen kein neues kulturelles Herz. Wir haben mit der Stadthalle, dem Ballonmuseum und der Stadtbibliothek ein umfassendes Programm und eine Vielzahl an Highlights über das ganze Jahr verteilt. Das heißt aber nicht, dass sich diese Angebote nicht irgendwie mit einem zusätzlichen Standort verknüpfen lassen. Man wird sehen, ob und in wie weit sich hier Synergien ergeben könnten.

Mir persönlich gefällt an der Variante C, dass hier spürbar auf die Wünsche des Stadtrats eingegangen wurde die Bereiche Handel, Dienstleistung und Wohnen zu verknüpfen. Es handelt sich nicht mehr nur um ein, wie im Jahr 2011 zur Debatte gestandenem, Einkaufszentrum, sondern um einen Ort, an dem die Einwohner Gersthofens einen echten Mehrwert für ihren Alltag erleben sollen. „Gesteigerte Aufenthaltsqualität“ ist für mich hier eines der Schlüsselwörter, das ich bei Gesprächen mit Herrn Pletschacher und seinem Architekten Herrn Kehrbaum immer wieder zur Sprache bringe. Für mich steht der „Goldene Würfel“ als Symbol für die Aufenthaltsqualität und nicht zwingend für ein Gebäude.

myheimat: Sport in Gersthofen: Welche Prioritäten setzt die Stadt bei der Verteilung ihrer Gelder? Einerseits wurde die Eislauffläche auf dem Rathausplatz wiederbelebt, andererseits findet heuer der Silvesterlauf des TSV Gersthofen zum letzten Mal statt. Hätte die Stadt nicht als Veranstalter hier einspringen können?

Michael Wörle: Für uns steht eine sinnvolle und gerechte Verteilung der Gelder im Fokus, damit unsere Vereine – und davon gibt es in Gersthofen aktuell 118 Stück – ihren Vereinszweck auch mithilfe der Stadt erfüllen können. Hierfür haben wir mit unseren Richtlinien für Zuschüsse an die Ortsvereine einen Rahmen geschaffen, der uns für jeden Einzelfall die jeweiligen Möglichkeiten der Bezuschussung nennt. Grundsätzlich erhalten nur Vereine Unterstützung, die ihren Sitz und Mittelpunkt im Gebiet der Stadt Gersthofen haben und deren Mitglieder, das müssen übrigens 25 oder mehr sein, zu mindestens einem Drittel aus Gersthoferinnen und Gersthofern besteht. Wir haben im Rathaus eine Mitarbeiterin für die Betreuung unserer Vereine abgestellt. Wir tauschen uns mehrmals wöchentlich über aktuelle Themen in diesem Bereich aus. Natürlich steht auch der Silvesterlauf auf unserer Agenda, als ältester Lauf dieser Art in Deutschland war er bisher ein fester Anker in unserer Jahresplanung. Wir stecken hierzu, übrigens bereits schon über das ganze Jahr hinweg, in Gesprächen mit verschiedenen Verantwortlichen. Da ist das letzte Wort also noch nicht gefallen.

myheimat: Apropos Sport: Wie geht es mit den Gersthofer Bädern weiter?

Michael Wörle: Erst vor wenigen Wochen erhielten wir das ausführliche Gutachten über die Sanierfähigkeit des Hallenbads. Die Beurteilung der Bausubstanz fiel positiv aus, es ist also möglich, den Bau und die Räume durch Sanierung wieder auf den Stand der modernen Technik zu bringen. Die finale Beurteilung des Freibads steht noch aus. Aktuell erarbeiten wir die konkrete Kostenrechnung für die Sanierung beider Standorte.

myheimat: Gersthofen ist eine reiche Stadt. Wie hoch sind derzeit die Rücklagen? Profitieren auch die Gersthofer direkt von dem Geldsegen?

Michael Wörle: Die Rücklagen belaufen sich im Moment auf circa 70 Millionen Euro. Natürlich profitieren die Einwohner der Stadt von der wirtschaftlichen Stärke und zwar in vielen Bereichen. So befinden wir uns zum Beispiel in der komfortablen Lage, unsere Straßen in einer höheren Taktung zu sanieren als viele andere Kommunen. Dadurch werden größere Straßenschäden vermieden und die Kosten müssen nicht auf die Anwohner umgelegt werden. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, sind die Beträge hierfür in Gersthofen im Vergleich deutlich geringer. Außerdem können wir, auch kurzfristig, auf gesteigerten Kinderbetreuungsbedarf reagieren und, wie in der jüngsten Vergangenheit am Ballonstartplatz, neue Räume und Gruppen errichten. Wir stecken also viel Geld in bestehende und neue Projekte, welche die Lebens- und Wohnqualität in Gersthofen erhalten sowie steigern. Denken Sie zum Beispiel an den Neubau der Skate- und Bikeanlage: Hier investieren wir 350.000 Euro in die Freizeitmöglichkeiten unserer Kinder. Und auch unsere äußerst vielfältige Vereinslandschaft profitiert, denn wir unterstützen diese, wie bereits erwähnt, in den verschiedensten Bereichen mit Zuschüssen. Auch das ist im Landkreis nicht die Regel.

myheimat: Viele Firmen siedeln sich derzeit im B2-Gewerbepark im Norden der Stadt an. Sind bereits alle Gewerbeflächen verkauft? Kann die Stadt ansiedlungswilligen Unternehmen auch andere Flächen anbieten?

Michael Wörle: Die Gewerbeflächen in Gersthofen sind nahezu vollständig verplant. Die einzelnen freien Flächen zwischen bereits bebauten Grundstücken sollen deshalb auch zur Nachverdichtung genutzt werden. Allgemein ist anzumerken, dass wir mittlerweile eine aktive und äußerst erfolgreiche Ansiedlungspolitik betreiben. Wir versuchen also durch gezielte Auswahl Synergien zu schaffen und einen optimalen Mix an Dienstleistung, Handel, Gewerbe und Industrie zu erreichen. Hierbei geht es sowohl um die Bereitstellung von Flächen für bereits ansässige Unternehmen wie auch für Neuansiedlungen.

myheimat: Besten Dank für das Interview, Herr Wörle!

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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