" Floating piers " am Iseosee - Radtour - Erfahrungen bei Tag und Nacht

sich hinsetzen und träumen... klein in der Bildmitte die Isola San Paolo, rechts der Monteisola
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  • sich hinsetzen und träumen... klein in der Bildmitte die Isola San Paolo, rechts der Monteisola
  • hochgeladen von Margret Ottner

Nur wer verrückt genug ist, erreicht das Unmögliche: Fahrradtour nach Sulzano, Erfahrung der schwimmenden Brücken bei Nacht und bei Tag nach Übernachtung im Freien

Anfang Mai haben wir schon von dem Projekt erfahren, weil wir zufällig gerade in Sulzano am Iseosee ein paar Urlaubstage verbracht hatten.
Die Lust darauf war sofort da, aber erst nach dem Beginn der Berichterstattung wuchs das Verlangen danach, hinzufahren. Urlaub war passend vorhanden- aber wie meinem ungeduldigen Mann stundenlanges Warten zumuten?
Und wo das Wohnmobil parken?
Der Stellplatz in Sulzano war bis 05.07. voll. Und in der Nähe gab es keinen.

Anfahrt

in Palazzolo sull' Oglio, dort hatte einer im Internet einen möglichen Stellplatz beschrieben und von dort gab es einen Radweg zum Iseosee. Die Räder hatten wir dabei.
Nach einer Nacht in Südtirol hatte eine Freundin mitgeteilt, daß sie 3000 Leute gar nicht in die Nähe des Projekts haben fahren lassen. Das habe ich meinem Mann aus gutem Grund verschwiegen- nicht, daß er einen Rückzieher gemacht hätte!
Am Freitag nachmittag gegen 15 Uhr sind wir von Palazzolo sull'Oglio, 20 km südwestlich vom Iseosee losgeradelt.
Die Hitze war nur mit Fahrtwind erträglich. Der Radweg war gut ausgeschildert und nach 20 km in Paratico am Iseosee angekommen, gab es dort eine Zapfstelle für kühles Wasser- sogar acqua gassata!
Weil mein Kopf unter dem Fahradhelm schon glühte, gab es gleich noch eine Kopfdusche dazu- das tat gut.
In Sarnico gab es eine Fährverbindung nach Iseo und Sulzano. Leider alles ausgebucht.
Also weiter noch 17 km nach Sulzano.
Die einzige Steigung ab hier war vor Iseo mit Blick auf die Seen des Torfmoors „Torbiere del Sebino“.
Der Radweg war fast immer vorhanden, aber oft entlang der Landstraße.
Irgendwann haben wir wegen Hitzestau den Helm an den Lenker gehängt.
In Iseo haben sie schon die Autos abgefangen und es gingen Shuttlebusse nach Sulzano.
Kommen wir mit dem Rad bis ans Ziel?
Man hatte uns gewarnt, daß evtl. auch die Zufahrt mit dem Rad nicht mehr möglich wäre und in den Nachtstunden jetzt kein freier Zutritt mehr ist und ab 22 Uhr die schwimmenden Brücken gesperrt wären.
In Pilzone haben die carabinieri uns ganz freundlich umgeleitet und mir sogar das Fahrrad ca. 25 Stufen hinaufgetragen.
Leider ging es dann nur noch bergauf und irgendwann wußte ich, daß das die „via valeriana“ war- wunderschön mit tollen Ausblicken, doch an einem glühendheißen Tag eine Tortur als Abschluß einer Radtour.
Zumindest hatten wir so auch den Blick von oben auf das Werk.
Wenn wir das gewußt hätten, hätten wir die Räder abgestellt und wir wären zu Fuß gelaufen- statt über 150 Höhenmeter hinaufzuschieben!
Nun hatten wir dafür die Räder dabei, kamen mitten in Sulzano an.

Wir prüften zuerst am Bahnhof eine Rückfahrtmöglichkeit:
Dort ging es vielleicht zu! Ein Kommen und gehen, Schlange stehen bei der Abfahrt ca. um 19 Uhr. Und volle Züge kamen immer noch an. Der letzte Zug ging um 0.48 Uhr- aber nur bis Iseo - und Räder nehmen sie bis 5.7. keine mit im Zug.

In Sulzano ist ganz schön was los!

Einen Fahrradstellplatz hatte ich in einem Winkel eines kleinen Parks gefunden, mit Geländer zum Festsperren. Und Parkbänke waren da- wir werden sie noch brauchen, denn freie Zimmer gibt es keine mehr. Toiletten waren nebenan und eine Bar für den Frühstückskaffee auch.
Die hier eingesetzte Polizei kommt aus der ganzen Lombardei- mit entsprechend wenig Ortskenntnis. Am Bahnhof gibt es eine Zapfstelle für kaltes Trinkwasser- sogar mit Kohlensäure! wie in Paratico- doch der 300m weiter schwitzende Polizist weiß nichts davon und ist dankbar für den Tip.
Kaum zu glauben war, wie es Anfang Mai hier ausgesehen hatte: eher verschlafen wirkte der Ort Sulzano, und auch auf dem Monteisola war nicht viel los. Wer dort wohnt, muß sich jetzt verkriechen oder des Geschäft seines Lebens machen.
Und der freundliche Poliziotto meinte, daß zur Zeit mit ca. 30 Minuten Wartezeit zu rechnen wäre. Kaum zu glauben, ich hatte von mehrstündigen Wartezeiten gelesen.
Aber in der italienischen Abendessenszeit war wohl einfach weniger los.
Er hatte recht.

Die floating piers

Wir hatten uns in die wartende Menge vor dem Rathaus eingereiht und die ersten Schritte auf den orangefarbenen Stoff gewagt. Der war schon leidlich verdreckt.
Und Reihe für Reihe ging es vorwärts, ums Rathaus herum, zur Schiffsanlegestelle und dann war er da, der große Moment: wir hatten die schwimmenden Brücken betreten:
Die Sonne kurz vor dem Untergang, sich im abendlichen See spiegelnd. Ein traumhafter Anblick.
Das Schimmern des Stoffes war abends nicht so sehr wahrnehmbar, an den Rändern fällt das Niveau ab und der Stoff war dort vom Wellengang nass geworden und wirkte bedeutend dunkler.
Später im Licht der aufgestellten Lampen war das Schimmern und Changieren des Stoffs wahrnehmbar. Er war auf Teppich getackert und gab ein weiches Laufgefühl, der Teppich drunter verhinderte zu schnelles Durchscheuern auf Asphalt und läßt sogar die Fußspuren eine Weile erkennen wie auf Sand.
Wie von Christo empfohlen, zogen wir auf dem schwimmenden Teil die Schuhe aus und liefen barfuß.
Ein schönes Gefühl. Die Ränder der ca. 40x40 cm großen und ca. 50 cm tiefen Plastikbehälter, aus denen die Brücken bestehen, waren spürbar. Und der Wellengang auch! Fuhren in der Nähe einige Motorboote vorbei, wurde er stärker.
Und dann kam von links ein Schiff, auf dem oben winkend Christo zu sehen war. Wir klatschten spontan- auch als Dank für dieses tolle Erlebnis- kostenlos!
Wir sahen Leute, die sich niedergesetzt haben – und auch wir wagten es - im Sitzen und Liegen waren die Bewegungen des Wellengangs noch stärker spürbar und das Erlebnis wesentlich intensiver.
In Peschiera Maraglio auf dem Monteisola waren einige Stände, wo es zu Essen und Trinken gab, davor jede Menge Andrang.
Das längste Stück schwimmender Brücke lag vor uns Richtung Isola San Paolo- dieses Stück Weges war im Abendrot vor den umgebenden Bergen am romantischsten. Es ist auch das längste Teilstück auf dem See.
Hier ist der (aus Lübecker Produktion kommende) Stoff noch am saubersten. Und wir legten uns hin und genossen die Stimmung- endlich waren die Temperaturen angenehm. Der Zutritt war bis 22 Uhr und bis 24 durfte man auf den piers bleiben. Daß man ab 22 Uhr nicht mehr zur Isola San Paolo durfte, auch wenn man längst die piers betreten hat, fanden wir sehr schade. Wir haben uns dann ein Bierchen genehmigt- und uns bestens unterhalten mit einem Pärchen, das aus der Nähe von Brescia mit dem Roller gekommen ist und 150 m höher an der 4spurigen Schnellstraße parken mußte. Unser Traum wäre es gewesen, auf der schwimmenden Brücke die Nacht verbringen zu können, von sanftem Wellengang in den Schlaf gewiegt.
Langsam haben wir den Gedanken gewöhnt, die Nacht auf der Parkbank zu bleiben- auch mit dem Hintergedanken, am nächsten Tag erneut dieses Erlebnis bei Tage zu genießen.
Irgendwann gegen 0.30 Uhr waren wir wieder an Land bei Sulzano, auch an Land schwankt der Grund immer noch nach - gefühlt.

Sulzano by Night

In einer kleinen Kneipe noch ein Bierchen für den besseren Schlaf.
Der Wirt erzählte, daß es die Tage davor chaotisch war- als noch die ganze Nacht offen war. Ach nachts um 2.30 Uhr waren noch massenweise Gäste unterwegs.
Und tagsüber in der Hitze spritzte die Feuerwehr auf die Wartenden- eine Dusche war willkommen.
Wir spazierten noch etwas herum. In der Nähe ergatterten wir uns einen leeren Karton- als Unterlage auf der Parkbank bestens geeignet.
Wir kamen uns doch etwas vor wie Penner- für uns aber Gott sei Dank nur eine einmalige Erfahrung. Der nahe Bach übertönte andere Geräusche. Es war immer noch warm, doch die mitgebrachten Leggins und das Fleece waren trotzdem willkommen.
Alles andere als gemütlich und bequem- und dann noch die Angst, von einem Carabiniere nachs aufgescheucht oder anderweitig bedroht zu werden.
Doch die Nacht war friedlich, wenn auch mit wenig Schlaf verbunden.

Der Samstag-Morgen- wir bekommen nicht genug

Nach einem Kaffee in der nahen Bar schon früh um sieben stellten wir uns in der Schlange an- schon ab 6 Uhr kamen die Besucher scharenweise an- und auch ein Bus nach dem anderen.
Die Wartezeit war etwas länger als am Vorabend- und jetzt war auch deutlich mehr deutsch im Stimmengewirr. Schon morgens um 7.30 Uhr Blockabfertigung- auch wenn erst um 7 Uhr die nächtliche Pause unterbrochen wird für neuen Besucheransturm.
Das Schimmern des Stoffes war am Tage wirklich mehr zu sehen. Leider hatten wir unsere Sonnenbrillen vergessen- ein Fehler- wenigstens war Sonnencreme im Gepäck.
Tagsüber war es schwieriger, sich hinzusetzen, weil laufend Personal einen aufgescheucht hat.
Patrouille auf schnittigen Jetbooten zu fahren, scheint ein toller Job zu sein.
Sauer waren wir, weil auch tagsüber der Zutritt zur Insel San Paolo nicht möglich war. Wegen der schlechten Wettervorhersage, hieß es.
Dies schien mir zunächst eine Ausrede, doch der Wetterbericht hat wirklich Gewitter angekündigt.
Das Wochenende vorher seien Madonna und Brad Pitt auf der Insel San Paolo aufgetreten- dem Waffenhersteller Beretta sei Dank, dem die Insel gehört und der einen guten Anteil der Kosten des Projekts getragen hat.
Schon gegen 10 Uhr wurde es sehr heiß- Schatten gibt es auf der schwimmenden Brücke keinen.
So sind viele geflüchtet und haben sich auf dem Verbindungsweg zwischen den beiden Stegen von der Insel San Paolo zum Monteisola niedergelassen- auch wir haben uns ein schattiges Plätzchen gesucht. Der Biergarten war schon um 8 Uhr gut gefüllt.
Uns hat tagsüber nur das ständige Geknattere der Hubschrauber über uns genervt. Heli -Rundflüge gab es für 50 Euro.

Als wir zurück zum Festland kamen, habe ich sogar ein Stück von dem Original- Stoff ergattern können. Klammheimlich hat sie mir ein ca. 5x5 cm großes Stück zugesteckt, keiner sollte es sehen, sie hat davon nur wenige, meinte sie.

Wieder bei unseren Parkbänken angekommen, haben wir ein Paar dort angetroffen, die ebenfalls mit dem Rad aus dem ca. 45 km entfernten Chieri schon um 5.15 Uhr aufgebrochen waren.
Die Wartende Menge war inzwischen mit Regenschirmen ausgestattet- zum Sonnenschirm unfunktioniert.

Tips

Der Besuch kann nur jedem Interessierten empfohlen werden-
aber nicht in der heißen Zeit von ca. 11 bis 16 Uhr.
Schwangere und Mütter mit Kinderwägen sowie Rollstuhlfahrer brauchen nicht zu warten.
Man sollte genügend zu trinken dabei haben und sich vor der Sonne schützen, bequeme Schuhe anziehen und mit langen Wartezeiten rechnen. Die Abendzeit ist wirklich zu empfehlen! Fächer und Schirme sind nützliche Werkzeuge!
Wer früh da ist, kann auch einen Inselrundgang anschließen- die Ostseite ist aber nicht so sehr interessant. Ganz Sportliche können den Monteisola besteigen- von der oben auf über 400 m gelegenen Wallfahrtskirche aus soll der Rundblick auf den See spektakulär sein.
Wer leicht seekrank wird- der hat hier bei Wind und Wellengang seine liebe Not- und sollte mit Medikamenten vorsorgen.
Den Wetterbericht vorher zu studieren, ist außerdem empfehlenswert.
Die Anreise sollte gut organisiert werden, bis Iseo mit dem Auto, dann weiter zu Fuß oder mit dem Shuttlebus. Zu Stoßzeiten am Wochenende wird man evtl. noch früher abgefangen.

Wer erst nach Abbau des Werks kommt, soll die via valeriana begehen und den Radweg zwischen Marone und Pisogne ( zu Fuß oder mit dem Rad), alle Orte ab Iseo bis Pisogne auf der Ostseite sind gut untereinander mit der Bahn erreichbar. Der Naturpark "torbiere del Sebino" große Wasserflächen im ehemaligen Torfabbaugebiet, ein Vogelparadies, ist auch einen Besuch wert.

Rückfahrt

Wir mußten am Samstag ab 11 Uhr erst mal zurückradeln. Auf dem Rückweg durften wir unbehelligt bis Iseo fahren- eben unten am See entlang. Alle Parkplätze rappelvoll- und sehr viele Leute von dort kilometerlang zu Fuß unterwegs. Anscheinend war auch vor den Shuttlebussen Stau. Bis Paratico war es problemlos. Den Einstieg in Paratico zu finden, über einige Ecken hinauf durchs Wohngebiet war schon aufwändiger.
Endlich k.o., überhitzt und müde in Palazzolo sull' Oglio angekommen, haben wir uns im örtlichen Schwimmbad abgekühlt und von unserem Abenteuer erholt.

Bürgerreporter:in:

Margret Ottner aus Gersthofen

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