„Die Notfallerstaufnahme hat sehr gut funktioniert“: Ein Interview mit Bürgermeister Roland Eichmann über die Flüchtlingsproblematik, städtischen Wohnungsbau und die neue Osttangente

Das Stadtoberhaupt als Rosenkavalier beim "Ball der Junggebliebenen" | Foto: Franz Scherer
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myheimat: Herr Eichmann, am 29. August 2015 kamen 263 Flüchtlinge in fünf Bussen an und zogen vorübergehend in die Schulturnhalle des Gymnasiums Friedberg ein. Auch Sie selbst legten im Vorfeld Hand an und bezogen Betten. Wie haben Sie die Einrichtung dieser Erstaufnahmeunterkunft erlebt?

Eichmann: Die Notfallerstaufnahme hat sehr gut funktioniert. Das Landratsamt hat zusammen mit den helfenden Organisationen BRK, THW und den Friedberger Feuerwehren die Organisation sehr professionell im Griff gehabt. Und das, obwohl hier ein bisher nicht geübter Einsatz Realität wurde. Das hat Mut gemacht!

myheimat: Die Flüchtlingsproblematik und die zunehmende Zahl von Asylbewerbern werden die Kommunen dauerhaft beschäftigen. Welche Maßnahmen wurden im abgelaufenen Jahr ergriffen, damit die Stadt Friedberg auch die Herausforderungen der Zukunft meistern kann?

Eichmann: Die Stadt arbeitet eng und sehr vertrauensvoll mit dem Landratsamt zusammen, das ist die wichtigste Maßnahme. Wir haben im letzten Jahr eine Koordination in der Stadtverwaltung geschaffen, die die freiwilligen Helferinnen und Helfer unterstützt und zugleich anerkannte Asylbewerber beim Zurechtfinden begleiten soll. Entscheidend ist immer zuerst die Unterkunft, jetzt und später in Form einer Wohnung. Hier ist die Stadt aktiv bei der Ausgestaltung der Unterkünfte und wir arbeiten intensiv an der Bereitstellung von Bauland für mehr Wohnraum.

myheimat: Mitglieder mehrerer Fraktionen beklagten sich darüber, dass sie über mögliche Flüchtlingsunterkünfte nicht zeitnah und ausreichend informiert wurden...

Eichmann: Es ist natürlich immer wünschenswert, wenn so eine Benachrichtigung erfolgen kann. Aber das ist nicht immer möglich. Wir haben teilweise Fristen von 48 Stunden zwischen der Unterzeichnung des Mietvertrags und der Belegung. So funktioniert Asylunterbringung zurzeit und dann ist es auch mal nicht möglich, vorab zu informieren. Abgesehen davon ist die Stadt formal nur als Bauaufsicht eingebunden, eine übertragene Aufgabe, für die der Stadtrat keine Verantwortung trägt.

myheimat: Ein ebenfalls brisantes Thema ist in Friedberg der Bereich „Wohnungsbau und Baugrundstücke“. Als sozialdemokratischem Politiker müsste es Ihnen doch eine Herzensangelegenheit sein, jungen Familien, die nur über begrenzte finanzielle Möglichkeiten verfügen, eine Chance zu geben. Wie können Sie dieses Ziel erreichen?

Eichmann: Das war bereits ohne die Diskussion über Asyl eines der zentralen Themen im Wahlkampf. Und das habe ich von Beginn der neuen Amtsperiode an verfolgt. Dazu zählt das Vorantreiben der Planungen für eine Wohnbebauung des Alten Bauhofgeländes mit einem vorhergehenden Neubau. Dazu zählt auch eine schnelle Umsetzung des neuen Baugebiets an der Afrastraße, wo wir leider Zeit aufgrund der schwierigen Verhandlungen mit den Grundbesitzern verloren haben. Weitere Baugebiete in Wulfertshausen, Derching, Paar, Stätzling und Hügelshart sind in meiner Amtszeit entscheidend vorangebracht worden. Zusätzlich verfolge ich das Ziel einer Auslagerung der städtischen Wohngebäude aus dem kommunalen Haushalt und einen kontinuierlichen Neubau von Wohnungen. Und nicht zuletzt ist mir die Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen wichtig, die sozialen Wohnungsbau verfolgen. Meine Wahl zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der Baugenossenschaft Friedberg legt hier hoffentlich auch ein gutes Fundament.

myheimat: Sind Sie von den Vorstellungen mancher Grundstücksbesitzer „überrascht“ worden?

Eichmann: Verhandlungen sind dann besonders schwer, wenn die Grundbesitzer eigentlich keinen Wunsch nach einer Veränderung haben. Hier braucht es für alle Beteiligten immer auch den Blick darauf, dass die Stadt nicht private Interessen verfolgt, sondern einen öffentlichen Auftrag hat: sie muss neues Bauland schaffen oder benötigt Flächen im Zuge von Ausbaumaßnahmen der Verkehrsinfrastruktur.

myheimat: Äußerst kontrovers wird über die B2 neu debattiert. Sie waren verärgert, als eine Bildmontage die Runde machte, welche die Augsburger Osttangente mitten durch die Kleingärten verlaufen ließ und nannten die Skizze „faktenfrei“? Wie sehen die Fakten denn aus?

Eichmann: Fakt ist: Es gibt eine grobe Skizze des Straßenbauamtes, die als Grundlage für die Antragsstellung beim Bundesverkehrswegeplan dient. Mehr gibt es nicht. Das Verfahren sieht konkretere Überlegungen und vor allem Planungen erst dann vor, wenn ein „vordringlicher Bedarf“ und damit eine theoretische Umsetzung in den kommenden 10 bis 20 Jahren festgestellt wird. Dass die Gegner mit unsinnigen Horrormeldungen arbeiten und auch bewusst Teilnehmerzahlen an ihren Veranstaltungen grotesk um das Vier- bis Fünffache hochschwindeln, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zuverlässigkeit der Aussagen, die dort gemacht werden.

myheimat: Was sagen Sie zu dem Argument, dass die neue B2, autobahnähnlich ausgebaut, unmittelbar die Friedberger Kernstadt tangieren und sie von Friedberg-West und Augsburg abtrennen könnte?

Eichmann: Wieso eine neue B2 abseits der bestehenden Trasse der AIC 25 geplant werden sollte, ist mir unerfindlich. Die Trasse ist breit genug für die neue Straße und damit hat sie gleiche Entfernung zur Kernstadt wie die heutige AIC 25. Und ein kreuzungsfreier Ausbau würde sogar die Verbindung zwischen Friedberg-West und der Kernstadt stärken, weil das heutige Hindernis einer vierspurigen Straße nicht mehr in dieser Form bestehen würde.

myheimat: Welche Lehren ziehen Sie aus dem Versuch einer temporären Fußgängerzone in der Ludwigstraße?

Eichmann: Die Bürgerschaft ist bei dieser Frage gespalten in zwei Hälften. Und das hat auch eine gewisse Berechtigung, da der Versuch eine hohe Belastung der Anwohner bei einer Sperrung gezeigt hat. Zusätzlich ist der Einzelhandel wohl mit Umsatzverlusten konfrontiert gewesen, auch wenn im fraglichen Zeitraum der Einzelhandelsumsatz in ganz Deutschland eingebrochen ist. Bei uns wurde das natürlich auf die Sperrung zurückgeführt. Wir werden das Thema nicht aus den Augen verlieren und werden nach dem Patt im Stadtrat im Februar 2015 das Thema nochmals 2016 diskutieren müssen.

myheimat: Ein viel diskutiertes Thema war auch die Umsiedlung des Bauhofs. Wie kam dieses Projekt im Jahr 2015 voran?

Eichmann: Der Standort für den neuen Bauhof an der Deponie hat leider teilweise sehr schwierige Bodenverhältnisse aufgezeigt. Wir überarbeiten daher gerade unsere Planungen, parallel zu den laufenden Kostenermittlungen. Nach deren Abschluss kann die Ausschreibung der Planungsleistungen erfolgen und danach die Ausschreibung der Bauleistungen. Das Geld ist im Finanzplan auf jeden Fall bereitgestellt.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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