Friedensbewegung fordert: "Die Waffen nieder!", denn Krieg löst keine Probleme

21. April 2014
Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
Abschlusskundgebung des diesjährigen Frankfurter Ostermarsch unter dem Motto "Krieg löst keine Probleme. Die Waffen nieder – 2014 so aktuell wie 1914" auf dem Frankfurter Römerberg
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  • Abschlusskundgebung des diesjährigen Frankfurter Ostermarsch unter dem Motto "Krieg löst keine Probleme. Die Waffen nieder – 2014 so aktuell wie 1914" auf dem Frankfurter Römerberg
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Auch in diesem Jahr nahmen wieder Friedensfreundinnen und Friedensfreunde aus Gießen und Mittelhessen am Ostermarsch in Frankfurt teil, der diesmal unter dem Motto Krieg löst keine Probleme. Die Waffen nieder – 2014 so aktuell wie 1914 stand.

Mit dem Zug und der U-Bahn ging es von Gießen zum US-Amerikanischen Generalkonsulat in der Gießener Straße in Frankfurt, wo einer der sechs Sternmärsche zum Frankfurter Römerberg startete. Ulrich Breuer, Betriebsrat beim Hessischen Rundfunk (HR) und Mitglied des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hielt hier eine kurze, aber gute Auftaktrede, die er später auf der großen Abschlusskundgebung vor rund 3.000 Teilnehmern wiederholen sollte.

Begrüßt wurden die "Ostermarschierer" auf dem Römerberg von Horst Schmitthenner (ehemaliges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall), der darauf verwies, dass 100 Jahre nach Beginn des Ersten und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wieder neue Kriege gefordert würden bzw. ihnen das Wort geredet werde. Dies sei falsch und obszön. Auf der Münchener "Sicherheitskonferenz" hätten Bundespräsident Gauck, "Bundeskriegsministerin" von der Leyen und Bundesaußenminister Steinmeier mehr Engagement Deutschlands in der Welt gefordert, notfalls auch militärisch. Dabei sei Deutschland schon seit dem "Kosovo-Krieg" 1999 wieder Kriegsmacht. Statt neuer Kriege bedürfe es jedoch der Abrüstung und verstärkten internationalen Zusammenarbeit.

Redner auf der von Schmitthenner moderierten Kundgebung waren neben Ulrich Breuer, Monika Knoche (Ver.di-Bundessekretärin und ehemalige Bundestagesabgeordnete von Bündnis'90/Die Grünen (1994-2002) und Linkspartei (2005-2009)), Ulrich Schaffert (Pfarrer der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde Frankfurt) sowie Christoph Kleine (NoTroika Rhein-Main).

Monika Knoche sprach in Ihrer Rede über den Ukraine-Konflikt und die Rolle Deutschlands in diesem Punkt. So stehe Deutschland an der Seite von EU und Nato aktiv im Kampf um eine neue Weltordnung bei dem es um die Durchsetzung der ökonomischen und geostrategischen Interessen des Westens gehe. Ziel der alten sowie der neu aufstrebenden Wirtschaftsmächte sei die Sicherung des ungehinderten Zugangs zu Bodenschätzen und Absatzmärkten. Die in verschiedenen Regionen der Welt entstehenden neuen Militärbündnisse würde eine neue Aufrüstung mit sich bringen. Nötig sei daher eine neue Weltwirtschaftsordnung, da die bestehenden globalen Ungerechtigkeiten ein Hauptgrund für die vielen Krisen und Konflikte seien. Die Exportstärke Deutschlands gehe mit einer gleichzeitigen Verelendung anderer Länder in Europa und der Welt einher. Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP würde dazu führen, dass zukünftig alleine Unternehmen und Konzerne bestimmen, wo es langgeht und die Demokratie vollständig zerstört werde. Es entstünde ein uneingeschränktes Diktat der Märkte.
Die Bevölkerung in Deutschland solle wieder an Krieg als Normalzustand der Politik gewöhnt werden, so Knoche in ihrer Rede weiter. Auch wenn es den klassischen Ost-West-Konflikt nicht mehr gebe, so seien die alten Feindbilder noch da und würden wieder reaktiviert. Russland wolle nicht länger als Verlierer des kalten Krieges dastehen, so dass dessen Reaktion auf die Situation in der Ukraine verständlich sei, auch wenn sie wisse, dass Russland ebenfalls ein imperialistischer Staat sei. Verständnis habe sie auch für die Reaktion der Bevölkerung in der Ostukraine, da die Menschen wüssten, dass eine Julia Tymoschenko oder ein Vitali Klitschko den Menschen keine neuen Freiheiten und Wohlstand bringen. Sowohl Russland als auch die USA seien in den Konflikt verstrickt, bei dem es um Macht und Einfluss in der Region und der Welt gehe. Während der ex. Außenminister Guido Westerwelle für seine Enthaltung bei der UN-Abstimmung über den Libyen-Einsatzes 2011 als Weichei tituliert werde und Frau von der Leyen neue Militäroffensiven im Kopf habe, sei eine Verteidigung der Kultur des Friedens und eine Reform der UN nötig. Die Friedensfrage sei globale ökologische, ökonomische und auch klimapolitische Frage sowie Gerechtigkeitsfrage, lautete das Fazit von Knoche.

Zweiter Redner war der HR-Betriebsrat Ulrich Breuer, der in seiner Rede auf das Thema Datenschutz, die aktuelle US-Politik sowie den Einsatz von Kampf- und Spionagedrohnen einging und für den Whistleblower Edward Snowden Asyl in Deutschland forderte. Erfreut zeigte sich Breuer, dass der Europäische Gerichtshof in einer rechtskräftigen Entscheidung unter Bezugnahme auf Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt und diese für unzulässig erklärt habe. Bereits seit der Verabschiedung der Notstandsgesetze 1968 würden in Deutschland die Grundrechte systematisch verletzt, da im Falle einer telefonischen Überwachung der Betroffene über diese Maßnahme auch im Nachhinein nicht informiert werde und ihm kein Rechtsweg gegen seine Überwachung zustehe. Seit der Gründung der Bundesrepublik arbeiteten die Geheimdienste der BRD und der Westalliierten sehr eng zusammen. Eine effektive Kontrolle dieser Dienste sei aber nicht gegeben. Daher gebühre Edward Snowden für seine Enthüllungen und Aussagen sowie seine Hilfe bei der Verteidigung der Grundrechte ein großer Dank.
Breuer verwies auf der sog. Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 in dem es in Tz. 172 wörtlich heißt: "Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art 8, 9 GG) verzichten." Daher sei es gut, dass hier heute so viele Menschen ihr Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahrgenommen hätten.
Die Zahl der sozialen Unruhen in der Welt nähmen immer mehr zu und hätten mittlerweile auch die reichen und wohlhabenden Regionen wie z.B. die City of London erfasst. Je mehr ein Staat über seine Bürger oder andere Regierungen wisse, um so mehr sei er in der Lage, deren Aktionen vorherzusehen und zu unterdrücken. Überwachung sei ein effektives Mittel um das eigene Volk und andere Länder zu kontrollieren und jeglichen Protest zu unterbinden. Daher sei zunehmender Widerstand gegen die immer mehr ausufernde Überwachung nötig. Die Bundesregierung und die EU forderte Breuer auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien wegen der Datenspionage durch den Geheimdienst GCHQ einzuleiten, das SWIFT-Abkommen zur Übermittlung von Bankdaten an die USA aufzukündigen, die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu stoppen und alle Standorte der "Five Eyes" (Zusammenschluss zwecks Kooperation der Geheimdienste von Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und den USA) von den Datennetzen zu trennen. Alle von den Geheimdiensten betrieben Spionageeinrichtungen, die auch der Steuerung des Einsatz von Kampfdrohen dienen würden, müssten geschlossen werden. Statt den Überwachungsstaat weiter auszubauen, sollte die Informationsfreiheit gestärkt, die Produktion und der Einsatz von Kampfdrohnen weltweit geächtet und allen Betroffenen von Krieg und Verfolgung Schutz gewährt werden, so die abschließende Forderung von Breuer.

Pfarrer Ulrich Schaffert, der zusammen mit einer Kollegin im vergangenen Jahr spontan nach einem Gottesdienst 22 "Lampedusa-Flüchtlingen" Kirchenasyl gewährt hatte, forderte nicht nur die Waffen niederzulegen, sondern auch die todbringenden Grenzzäune an den EU-Außengrenzen niederzureißen. In seinen Ausführungen berichtete er über das Schicksal der Flüchtlinge, welche von Afrika über das Mittelmeer nach Spanien bzw. Italien geflohen seien und welche später wegen der Perspektivlosigkeit und den unwürdigen Zuständen von dort nach Deutschland weiter gereist seien. Vor dem Kirchenasyl hätten sie in Frankfurt unter der Untermainbrücke gelebt. Zwar sei ihnen eine große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft aus allen Teilen der Bevölkerung und von vielen Gruppen in Frankfurt zuteil geworden, jedoch sei man frustriert über die kalte, menschenfeindliche EU-Gesetzgebung. Ziel der EU-Flüchtlingspolitik sei nämlich ausschließlich die Abwehr von Flüchtlingen, das Schicksal und die Lebensbedingungen der Menschen seien dabei völlig egal. Trotz eines in Italien oder Spanien erworbenen EU-Aufenthaltstitels gelte für sie die Personenfreizügigkeit nicht. Trotz vorhandener Arbeitsplätze dürften diese Menschen hier nicht arbeiten. Die Dublin II-Verordnung, welche die Zuständigkeit des jeweiligen EU-Mitgliedstaates hinsichtlich von Asylverfahren regelt, müsse weg. In breiten Bündnissen müsse für ein neues, humanes Flüchtlingsrecht gestritten werden, wofür es mehr politischen Druck bedürfe, so Schaffert.

Letzter Redner der Kundgebung war Christoph Kleine (Blockupy-Regionalgruppe "NoTroika Rhein-Main"), der über die für dieses Jahr geplanten Proteste gegen die EZB und die Bankenmacht sprach. So seien vom 05. bis 25. Mai 2014 internationale antikapitalistische Widerstandstage geplant. An jedem letzten Sonntag im Monat um 14.00 Uhr fänden am Baustellenzaun des EZB-Neubaus im Frankfurter Ostend sogenannte Zaunspaziergänge statt, zu denen alle Bürger herzlich eingeladen seien.
Auch den aktuellen Konflikt in der Ukraine sprach er kurz an. So würde weder von den USA und der EU noch von Russland beanstandet, dass es in der Ukraine einige Superreiche gebe, während die Masse des Volkes in großer materieller Not lebe. Die geplanten Hilfsmaßnahmen für die Ukraine seien eine Blaupause der in Griechenland und anderen europäischen Krisenländern angewandten Strategie. Die Beteiligung von Faschisten an der ukrainischen Regierung würde vom Westen bewusst in Kauf genommen, wenn nicht sogar gezielt gefördert. Der aufkommende Nationalismus führe zu neuen Spannungen zwischen den Volksgruppen.
Da der Krieg - und nicht nur der in bzw. um die Ukraine - hier beginne, müsse dieser auch hier gestoppt werden.

Musikalisch untermalt wurde die Ostermarschaktion von der Gruppe Politokk und dem Liedermacher Ernst Schwarz.

Bürgerreporter:in:

Christian Momberger aus Gießen

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