Wir machen auf Gourmet: Statt Bratwurst gibt’s „Saucisse grillée“

Egal was drin ist: Ein französischer Name auf der Speisekarte, und das Zeugs lässt sich doppelt so teuer verkaufen. | Foto: Republica/Pixabay
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  • Egal was drin ist: Ein französischer Name auf der Speisekarte, und das Zeugs lässt sich doppelt so teuer verkaufen.
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Bei Kebab-Ali um die Ecke weiß ich, wo ich dran bin – und was mich erwartet. Das gilt (natürlich) nicht für alles, was drin ist. Das weiß ich beim Franzosen zwar auch nicht, aber bei dem klingt das schon mal deutlich besser und ambitionierter: „Poulet rôti avec ses pommes de terre frites à la belge“. Das Zeugs würde ich, ohne zu wissen, was das eigentlich ist, allemal und per se Ütztürks schnödem Döner-„Dürum“ vorziehen.
Doch hinter diesem seiner sprachlichen Poesie beraubten Begriffsmonster verbirgt sich - Ernüchterung - auch nur ein halbes Hähnchen mit Pommes. Ja, ja, die Franzmänner, diese wortgewaltigen Schaumschläger und Löffelschwinger. Die haben es voll drauf. Die wissen, wie der Hase (in Richtung Kochtopf) hoppelt. Machen einem auf ihrer Speisekarte den Mund mit so vielen exotischen und abenteuerlich klingenden Begriffskonstrukten wässerig, dass einem ganz schwindelig wird. Und sie lassen sich das natürlich auch entsprechend honorieren.
Eine „Saucisse grillée“ ist bei Pierre im Chez Maurice nicht unter acht Euronen zu haben. Klingt zunächst einmal akzeptabel, bis sich das Feinschmecker-Menü als schnöde Bratwurst outet. Für „Echine de porc et ses champignons des bois accompagnés d’une galette de purée maison“ wäre ich unbesehen bereit, viermal so viel hinzublättern. Aber dabei handelt es sich auch nur um ein Schweine-Kotelett mit Pilzen und Kartoffelpuffer. Das gibt’s im „Goldenen Hirsch“ aber preiswerter.

Suppen mit Schuppen aus Bullerbü

Bouillabaisse klingt ein klein wenig nach “Die Kinder von Bullerbü”, doch handelt es sich hier wohl eher um Suppen mit Schuppen, denen vom Fisch. Eine provenzialische Spezialität, keine schwedische. „Magret de Canard sauce au vin“ kostet von vornherein 25 Prozent mehr als eine profane Entenbrust in Rotweinsoße, während Lammrücken mit „Gratin Dauphinoise“ auch deutlich teurer ist als ein solcher mit einem schnöden Kartoffelauflauf. Ein paar Brocken Französisch auf der Speisekarte, und der schwindsüchtige Stehimbiss wird zur Goldgrube. Da blinken in den Augen des Chefes die Michellin-Sterne und Dollar-Zeichen reihenweise auf - und verlöschen wie eine Super-Nova. Gut, der Maître legt sich aber auch entsprechend ins Zeug und in die Zutaten. Und das hat seinen Preis. Er degrassiert, chatiert, degorgiert, dessechiert, pariert, pikiert und lardiert, anstatt nur einfach zu kochen.

Weil die Küchengehilfin unpässlich ist

Der Italiener macht‘s natürlich auch so, mein griechischer Freund Andropolus Drecksackis mit Abstrichen ebenfalls. Bei Antonio steht heute als Antipasto „Salmone Carpaccio mit Promodoro-Basilikum Vinaigrette“ auf der Karte. Als Primi Piato schlägt er „Fettuccine in Parmesan Crema“ vor, der zweite Hauptgang fällt wegen temporärer Unpässlichkeit der Küchengehilfin aus. Als Dolci gibt es dann anschließend „Kokos Panna Cotta mit Fragola vaniglia“. Nach dem Espresso dann noch einen Grappa (für den Babba). Und das war der einzige Menüpunkt, der sich mir inhaltlich auf Anhieb erschlossen hatte. Für einen monolingual aufgewachsenen Bub vom Land, bei dem erst in der dreimal wiederholten sechsten Klasse Hochdeutsch als zweite Fremdsprache dazugekommen war, kann dieses babylonische Gourmet-Chinesisch ganz schön irritierend sein.

Drecksackis und sein Bruder

Bei Haruki, dem Japs um die Ecke, gibt es rohen, fauligen Fisch in Fahrradschläuchen. Das heißt bei dem Sushi, wobei dann noch mal zwischen Hoso-Maki, Futo-Maki, Ura-Maki, Hitsuji-Maki und Souflaki unterschieden wird. Nee, halt, stopp, zurück, Souflaki gehört in die griechische Abteilung. In selbiger, also bei Andropolus, muss man sich zwischen Dakos, Dolmadakia, Melitzanosalata, Imam bayildi, Kontosouvli, Giouvetsi und Loukoumades entscheiden, wobei die Reihenfolge der Aufzählung chronologisch natürlich nicht dem finalen serviertechnischen Ablauf entspricht. Otto von Bismarck hat in einem anderen Zusammenhang einmal gesagt: „Je weniger die Leute wissen, wie Gesetze und Würste gemacht werden, desto besser schlafen sie“. Sehe ich auch so. Und ich will es ja auch nicht wissen, das mit den Würsten und was da alles reinkommt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Dimitrios, der Schwager vom Drecksackis, Kammerjäger ist.
Da lob‘ ich mir die Pommesbude meines Vertrauens. Da wird, siehe oben, zwar nicht degrassiert, chatiert, degorgiert, dessechiert, pariert, pikiert und lardiert, stattdessen aber munter intrigiert, schwadroniert, diskreditiert, frittiert, diskriminiert, schockiert, dehydriert, deklassiert und reklamiert. Und die Anschlagtafel ist klar und einfach strukturiert: Currywurst mit Pommes, Currywurst ohne Pommes, wahlweise mit und ohne Curry bzw. Wurst. Die Pommes in kleinen, mittleren oder großen Portionen mit Mayo oder gar nicht. Das war’s.

Fritteusen-Fett mit bewegter Vergangenheit

Einziges Zugeständnis an den Zeitgeist: Hamburger. Aber die muss man vorbestellen. Angesichts dieser Vielfalt ist es egal, dass das Fritteusen-Fett eine bewegte Vergangenheit hat. Mit ihm sind mindestens schon die Radnaben der alten römischen Kampfwagen geschmiert worden. Und so duftet es auch. Die ranzige Plörre stammt aus einer Zeit, als das Tote Meer noch gesund war. Auch alle anderen Ingredienzen scheinen zweifelhafter Herkunft. Doch auch hier gilt: Hunger ist der beste Koch! Und er treibt’s rein. Und schon Giovanni Boccaccio hatte ja erkannt: „Es ist besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat“. Bon Appétit!

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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