Die Nacht ohne Schlüssel

Die Nacht ohne Schlüssel
Von Rita Schwarze

Ich hatte Spätschicht die Arbeitszeit ging bis 22.30 Uhr. Draußen minus 5 Grad. Leichter Schneefall.
Die Abfahrt von der Firma mit dem eigenen war Auto wie immer. Die Handtasche wurde auf den Beifahrersitz gepfeffert und los ging es. Was ich nicht bemerkte: die Tasche hatte sich geöffnet. Vor meiner Haustür angekommen hab ich mir die Tasche geschnappt, unter den Arm geklemmt und ab nach oben. Ich zog mich bequem an, eine dreiviertellange Jogginghose und ein Shirt mit kurzen Ärmeln. Da bemerkte ich erst dass die Tasche offen war. Ich schaute hinein und stellte fest dass mein Portemonnaie nicht drin war. Großes Erschrecken! Vor der Abfahrt hatte ich es doch noch, also konnte das Portemonnaie nur ins Auto gerutscht sein. Ich den Schlüssel geschnappt und ab zum Auto, denn das Portemonnaie wollte ich auf keinen Fall auf dem Beifahrersitz liegen lassen. Das wäre in dem Viertel, wo ich wohne absolut unmöglich, dachte ich, die knacken mir deshalb noch die Karre. Gerade hatte ich dir Tür ins Schloss gezogen, da habe ich bemerkt dass ich nur den Autoschlüssel gegriffen hatte, aber keinen Wohnungsschlüssel! Ach du meine Güte, was nun? Es muss so gegen 23.00 Uhr gewesen sein. Sofort sind mir die Tränen gelaufen, was tun? Gut, erst mal nach unten, die Haustür nur angelehnt, ganz vorsichtig, damit ich mich nicht auch noch unten aussperre. Zum Glück lag wenigstens der Geldbeutel im Auto. 5 Grad unter null und ich hatte nur dünne Sachen an: Rita, denk nach, was machst du nun? Sofort liefen mir die Tränen wieder. Aber gleich die Ermahnung an mich selbst: Heul nicht, davon kommst du auch nicht in die Wohnung. Überlege, was kannst du tun? Wo ist das nächste Telefon? Wann braucht man schon eine Telefonzelle, niemals. An der nächsten Ecke, 800m weiter, müsste eine sein. Mist der Hörer abgeschnitten Ich in Schlappen, mit dünnen Sachen, Tränen im Gesicht, ab zum nächsten Telefon. Noch mal 800m. Niemand auf der Straße, keiner ist mir begegnet, niemanden den ich um Hilfe bitten könnte. Da: das Telefon, und intakt. Aber wen anrufen? Meine Mutter? Unmöglich, die bekommt einen Herzinfarkt. Und was sollte sie tun? Meinen Sohn? Was könnte er tun? Einen Freund, der weit außerhalb wohnt, die einzige Nummer die ich im Kopf hatte. Also dahin telefoniert. Kurze Antwort: „Was soll ich machen? Ruf einen Schlüsseldienst“ und aufgelegt. „Männer!“, dachte ich. Wenn man sich auf die verlässt ist man verlassen. Trotzdem: das war das richtige Stichwort, ein Schlüsseldienst muss ran. Die Nummer, wie komme ich aber an die Nummer? Da, ein Taxi, stimmt ja, hier ist ein Taxistand. Ich hin zu diesem Taxi, der Fahrer äußerst Vorsichtig und macht erst mal nur die Scheibe ein ganz kleines Stückchen runter. Der wird gedacht haben: „ Hilfe, eine Verrückte, trägt dünne Sachen, bei der Kälte“. Mir liefen noch oder wieder die Tränen. Wie spät ist es? Ich hatte keine Ahnung. Ich zu ihm schluchzend: „Ich habe mich ausgesperrt, ich brauche bitte die Nummer von einem Schlüsseldienst“. Er: „ Kein Problem, besorge ich, über die Zentrale“. Ich habe meinen Ohren nicht getraut: ich bekomme Hilfe, alles wird gut! Er hat mir dann 2 Nummern gegeben. Ich habe vor Kälte und Angst gezittert. Jetzt kam die Kostenfrage hinzu, was kostet es eine Tür zu öffnen? Man hört ja Sachen von 300 bis 400€. Wie viel Geld habe ich zu Hause? Vielleicht 50 bis 60€. Gut, erst mal nicht daran denken, anrufen. Die erste Nummer ein Anrufbeantworter. Ich habe gleich wieder aufgelegt. Ein Anrufbeantworter kann mir nicht weiter helfen. Die zweite Nummer: es klingelt, ein Mann an der Strippe. Ich habe gleich wieder geweint: „Ich habe mich ausgesperrt, ich brauche bitte Hilfe“. Dann er mit russischen Dialekt: „Ich dir helfen, wo du wohnen?“ Ich wieder: „Was kostet es?“ ER: „40 Euro“. Gut, die hatte ich. Aber ich hatte Angst vor diesem Russen. Wie viele werden kommen und was mache ich wenn sie mich überfallen Wie spät ist es? Keine Ahnung, ich habe kein Zeitgefühl mehr. Also – eine Wahl hatte ich ja sowieso nicht – ich habe meine Adresse genannt. Er: „Ich bin in 20 Minuten da“. 20 Minuten, wie weit ist es zu meinem Haus? Anderthalb Kilometer! Rita du musst rennen. Ab zurück. Wie eine verrückte. Hoffentlich ist die Haustüre noch auf. Was mache ich wenn jetzt drei russische Kerle kommen? Hilfe, wie spät ist es? Immer noch keine Ahnung. Die Haustür war noch offen, also ich mich erst mal in die Ecke verdrückt, die offene Tür im Rücken, da könntest du immer noch rein, wenn dir was unheimlich ist. Was ist denn das? Da kommt ein Mann um die Ecke, mit einem riesigen Hund an einer sehr langen Leine. Der Mann sieht mich nicht, dafür wittert mich der Hund, der muss doch meine Angst riechen, der Hund ist scharf auf mich und zieht an der Leine. Der Mann bemerkt mich und hält die Leine kurz. Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen einfach zur Türe rein zu gehen. Ich war wie gelähmt. Mann und Hund gehen vorbei, ohne ein Wort. Wie spät? Keine Ahnung. Dann kommt ein uralter, kleiner Fiat um die Ecke. Sollte das der russische Schlüsseldienst sein? Ein dicker alter Mann in einem Jogginganzug steigt aus. Ich denke, sieht irgendwie russisch aus. Er kommt auf mich zu: „Du nicht weinen, ich dir helfen! Ja das habe ich dann auch geglaubt. Der wollte wirklich nur meine Wohnung aufmachen, der wollte mich weder vergewaltigen noch berauben. Also hinauf in den fünften Stock. Er hat ewig lange gebraucht, Luftmangel. Vielleicht der Blutdruck oder das Herz, habe ich gedacht. Oben angekommen sagte er zu mir: „Du dich umdrehen!“ Ich sollte seinen Trick nicht sehen. Ganze 3 Sekunden und meine Tür war auf. Ich habe ihn gefragt was er bekommt? „Wie gesagt 40 Euro“. Er hat 50 Euro von mir bekommen. Dann hat er mir für alle Fälle seine Karte gegeben. Die habe ich heute noch.
Das erste was ich gemacht habe, ich habe einen 30 Jahre alten Whiskey aufgemacht und gleich aus der Flasche getrunken, bis es im Bauch gebrannt hat, ich glaube die Viertel Flasche war das. Wie spät? Egal, nun ist alles egal.
Es war gerade mal halb zwei in der Nacht.

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Diese Episode hat sich 2010 zugetragen. Wurde auch 2010 von mir aufgeschrieben.
Hier ist sie überarbeitet und ein wenig verändert.
Gegengelesen und korrigiert von meinem alten Freund "Ringulf"

Bürgerreporter:in:

Rita Schwarze aus Erfurt

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