Weihnachten am Südpazifischen Ozean

Pōhutukawa nennen die Maori den New Zealand Christmastree, der um Weihnachten herum in voller Blüte steht.
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Eine wahre Weihnachtsgeschichte erlebt und aufgeschrieben von Roland Wellenhöfer

Es war im vergangenen Jahr. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen war ich dem Stress und der Hektik entflohen und nach Neuseeland geflogen. Auf der anderen Seite der Welt hatte ich mich mit zwei guten Freunden verabredet die jeweils unabhängig voneinander in dieser Zeit durch dieses ursprüngliche Land reisten. Matthias aus Krummennaab fuhr mit seinem selbstausgebauten Kleinbus von Norden nach Süden und Julian aus Grötschenreuth trampte als Backpacker nur mit dem Rucksack auf dem Rücken in die entgegengesetzte Richtung durch das Land. Und genau mittendrin hatten wir uns für die Weihnachtsfeiertage verabredet um eine Zeitlang zusammen weiter zu reisen.

So kamen wir am 24. Dezember in Napier in der Hawke-Bay an. In der Kleinstadt mit ihren schönen Häusern im Art déco Stil der 1930er Jahre gefiel es mir auf Anhieb. Napier versprühte für mich irgendwie den noblen Charme einer südfranzösischen Hafenstadt. Beim Stadtrundgang entdeckten wir ein kleines gemütliches Straßencafé. Dort genehmigen wir uns einen Flat White, also einen Kaffee mit viel Milch. Doch schon bald waren wir des hektischen Stadtlebens wieder überdrüssig und wir wollten zurück in die Natur zurück ans Meer.

Matthias stellte seinen Van an einem Parkplatz direkt am Strand ab. Es waren nur wenige Meter bis zum Meer. Wir trugen die wenigen Habseligkeiten und unseren Proviant hinunter und richteten eine Feuerstelle ein. Das heißt, wir gruben einfach ein Loch in den schwarzen Sandboden. Ja in den schwarzen Sandboden. Der Strand besteht aus dunklem ziemlich grobkörnigen Sand. Je näher zum Land, umso größer wurden die Steine. Sie waren aber abgerundet und man konnte gut darauf laufen. Allerdings wird der Boden tagsüber sehr heiß.

Es war bereits früher Abend und wir setzten uns in den noch warmen Sand und genossen den Ausblick auf die unendliche Weite des Südpazifischen Ozeans. Rechts von uns zeigten sich die Felsklippen von Cape Kidnappers. Links ragte der mit kleinen weißen Häusern bebaute Felssporn Blufhill ins Meer. Obwohl über Weihnachten neben den zahlreichen Backpackers (Rucksacktouristen) auch viele Einheimische hier die Feiertage verbringen waren wir ganz allein am Strand. Brennmaterial war in Form von angeschwemmtem Treibholz genügend vorhanden.

Wir blickten gemeinsam in den tiefroten Sonnenuntergang. Abends frischte der Wind etwas auf. Aber am Lagerfeuer, das wir mittlerweile entfacht hatten, war es gut auszuhalten. Irgendwann war es dunkel geworden und ganz unbemerkt war der Heilige Abend da. Es war für mich schon ein komisches Gefühl das Weihnachtsfest mitten im Sommer am Meer so weit weg von zu Hause zu verbringen.

Und dann erlebten wir diese ganz reale Weihnachtsgeschichte: Aus der Dunkelheit heraus kommend sahen wir die Silhouetten von zwei Gestalten, die den Strand entlang liefen. Beim Näherkommen erkannten wir, dass es sich um zwei Backpackers mit ihren schweren Rucksäcken handelte. Als sie den Schein unseres Lagerfeuers erkannten hielten sie auf uns zu. Nach einem kurzen Wortwechsel in Englisch stellten wir fest, dass es sich auch um Deutsche handelte. Tobi und Sabine, ein junges Pärchen, waren hier in Neuseeland zum Work und Travel unterwegs. Den beiden Wanderarbeitern war tags zuvor ihr Auto kaputtgegangen. Motorschaden – nichts mehr zu machen. Für die Beiden eine mittelgroße Katastrophe. Ihnen fehlte nicht nur ihr Fortbewegungsmittel, sondern sie hatten auch keine Schlafmöglichkeit. Und deshalb waren sie zu Fuß unterwegs und suchten nach einer Bleibe für die Nacht.

Wir boten ihnen einen Platz an unserem wärmenden Lagerfeuer. Beiden sah man die Freude über unsere Einladung regelrecht an. Sie setzten sich zu uns und wir teilten unseren mitgebrachten Proviant und die wenigen Flaschen bayerisches Bier, dass ich als Willkommensgeschenk für meine Freunde eingeschmuggelt hatte. Tobi und Sabine steuerten eine Packung Kekse und zwei Müsliriegel zu dem Weihnachtsmahl bei.

Wir verstanden uns auf Anhieb und sie erzählten uns von ihren bisherigen Erlebnissen. Es war mittlerweile Nacht geworden und irgendwann wünschten wir uns gegenseitig „frohe Weihnachten“. Geschenke zu verteilen hatten wir nicht und brauchten wir auch nicht. Die beeindruckende Naturkulisse war Geschenk genug. Ich summte Weihnachtsmelodien vor mich hin und meine Gedanken waren in diesem Moment zu Hause in Deutschland. Wehmut ja aber kein Heimweh. Dann nahm ich meine Mundharmonika und stimmte das „Stille Nacht“ an. Matthias stieg mit seiner Gitarre ein und dann sangen wir alle zusammen mehrstimmig das alte deutsche Weihnachtslied von der Heiligen Nacht.
Und in diesem Augenblick schaute ich zum Himmel auf und es stand ein einziger hell erleuchteter Stern am weiten Firmament. Welch ein Symbol, welch ein Zeichen in dieser Nacht. Und ich kann nicht verschweigen dass mir in diesem Augenblick unwillkürlich eine Träne ins Auge stieg. Ich spürte förmlich den Segen Gottes und fühlte mich geborgen und beschützt. Der Stern von Bethlehem wachte über uns.

Die zweitausend Jahre alte Geschichte hatte sich am Strand von Napier irgendwie wiederholt. Damals hatte Josef und Maria eine Bleibe für die Nacht gefunden. Und die braven Hirten haben ihnen in ihrer Mitte Quartier geboten. Am pazifischen Ozean ist in dieser Heiligen Nacht zwar kein Kindlein geboren, doch ein Licht ist dennoch entfacht worden.

Bürgerreporter:in:

OberpfalzBild.de - Die Online-Bildagentur aus Erbendorf

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