Voodoo oder die Angst vor launischen Göttern und besessenen Toten

verstorbene Häuptlinge und Götter haben ihre Symbole bei den Yoruba in Benin
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Die Frau zuckt ein paarmal, die Hände verkrampft mit gespreizten Fingern fast wie Geierfüße.
Sie bäumt sich auf, windet sich hin und her wie eine große Schlange, wirft sich nach hinten in die Arme der assistierenden Priesterinnen.
Wie es scheint, wollen diese sie beruhigen, sie behutsam in ihrer ungesteuerten Regsamkeit begleiten, dafür Sorge tragen, dass sie in ihrer beginnenden Trance nicht ganz das Gefühl für den Körper verliert und sich vielleicht gar schlimm selber verletzt.
Die Frau windet sich gegen den Druck der schützend vor gestreckten Hände. Wild schlagen ihre Arme unberechenbar nach allen Seiten . Der Körper bebt und wird von plötzlich einsetzenden Krämpfen geschüttelt. Die Augen drehen sich nach hinten, so dass nur noch das Weiß der Pupillen zwischen den geröteten Lidern zu sehen ist. Das Gesicht und der gesamte Körper ist bis auf die spärlichen Kleidungsstücke um die Hüfte herum ganz mit weißer Kaolinfarbe bemalt, die jetzt aber vom Schweiß der fast übermenschlichen inneren Anstrengung am Körper herunter zu rinnen beginnt und das tiefe Schwarz der Hautfarbe langsam in verwaschenen Streifen wieder freilegt.
Weiß ist die Farbe der von Krankheit Gezeichneten, die Farbe der Toten, die Farbe der aus dem Jenseits wieder zurück Gekehrten, der lebenden Toten.
Wir als Bleichgesichter haben relativ gute Karten –trotzdem passiert es uns immer wieder in weniger touristisch erschlossenen Gegenden Afrikas, dass die Kinder panisch vor uns davon laufen.
Na ja der Grufti ist mir wohl ins Gesicht geschrieben.
Nur wer die Verstorbenen im Jenseits befragt, wer den Willen der launischen Götter kennt und beide Gruppen durch Opfer und Geschenke besänftigt hat, kann der Dorfgemeinschaft und ihren Mitgliedern helfen.
Dies sind einmal die Voodoosi, die Priesterinnen der Voodoogötter, die durch Ekstase zu Medien der Götter und so zu Ihrem Sprachrohr werden. Nur wer in der Anderswelt in der Farbe der Toten erscheint, ihr Verhalten kennt und nachahmen kann, wird unbehelligt und unverletzt dieser fremden Welt wieder entrinnen können. Seine Erinnerung daran wird er nach Ende der Trance wieder verloren haben. Aber den Willen der Verstorbenen, der Geister und Götter kann er mit fremder Zunge in fremder, kaum verständlicher Sprache , besessen von den Dämonen weitergeben.
Die Ahnen sprechen durch den Mund der Medien. Ein Huhn, ein Zicklein oder ein Hund soll es sein, der sein Blut über die aus Lehm rund aufgewölbten kleinen Hügelchen am Dorfrand vergießen und der immer ernährenden Erde geben soll.
Was wollen denn die launischen Götter, die wie man erzählt so anspruchsvoll sind. Nun natürlich wollen sie auch ihr Leben geniesen und so sind Gin und Zigaretten die bevorzugten Gaben , um sie milde zu stimmen. Mit billigem Fusel oder gar Selbstgedrehten kann man sie nicht besänftigen. Edle und teure Marken verlangt es sie zu bekommen. So erzählt zumindest der Voodooprister, den wir im Südwesten von Benin an der Grenze zu Togo „konsultieren“ dürfen, „ Grand popo „ heißt der Ort.
Wir haben das Glück beim großen internationalen Treffen internationaler Voodoopriester 2009 hier in Benin unsere Ferien zu verbringen. Naja Urlaub wäre ja eher der falsche Begriff.
Hier in Grand popo: Nach dem „ großen Arsch der Welt“ schaut es hier allerdings nicht aus in der mehrstöckigen und grossflächig angelegten Villa des Wunderheilers. Seltsam klein wirken daneben die notdürftig aus Restmaterial aufgebauten Gebäude seiner „Gläubigen“.
Lange dauert es natürlich , bis der vielbeschäftigte Mann, uns gegen Bezahlung mehrerer Stangen Zigaretten ,einiger Scheine und zweier Flaschen Gin empfängt und sogleich aus rot umrandeten etwas glasig wirkenden Augen anstarrt. Auch sein Gesicht trägt Spuren von weißer Farbe.
Sein „Haus“ ist großzügig angelegt, in jeder Ecke ein neuer Altar. Aufräumen geht nicht. Die Hühner- und Hundekadaver rotten in jeder Ecke vor sich hin und geben ihren Geruch ab. Leere Ginflaschen runden das Bild zum Stillleben: ziemlich tot das Ganze!
Der „Heiler“ macht uns darauf aufmerksam , dass nur ein Teil seiner Aufgabenbereiche den Zustand des Menschen verbessern soll –gegen entsprechende Bezahlung - ein wesentlicher anderer Teil ist ( wohl auch beim Ausbleiben der Bezahlung seiner Dienste oder unvollständiger Zahlung seiner Forderungen)Schadenszauber gegen andere, die sogenannte schwarze Magie. Weswegen wir kämen, will er wissen. Anscheinend sieht er deutlich unsere Zweifel über seine Tätigkeiten in unseren Augen. Es würde ihm keine Mühe machen uns entweder Glück bei der weiteren Reise oder nahen Tod an zu zaubern – und dabei schaut er uns tief und stechend an. Wir brechen ab, bevor er uns mit überzogenen Forderungen binden kann. Ich erzähle ihm , dass wir von Freunden von seiner Kraft gehört hätten und gekommen waren, um ihn kennen zu lernen. Wir seien gesund und wünschten auch, dass dies so bliebe. Da wir daraus schlössen, dass uns die Götter und Ahnen wohl gesonnen seien, würde es uns auch reichen, nur einmal seine Hand geschüttelt zu haben.
Afrikaner hätten sich seinem Einflussbereich nicht so einfach entzogen. Wie man uns erzählte, würden Leute, die sich dem Glauben verweigern würden, gerne schon mal plötzlich eines Abends bei den heiligen Krokodilen gefunden oder eher wohl nicht, da sie ohne sich zu verabschieden unbemerkt aus dem Dorf in die Stadt verschwunden waren , um dem Konflikt aus dem Wege zu gehen. Nix gwies weiss man aber nicht.
Umso eindringlicher und voll des panischen Aberglaubens meiden Einheimische entweder den Kontakt zu Magiern oder zahlen bereitwillig jedweden geforderten Betrag, um sich seiner Dienste zu bedienen. Deshalb wohl auch das „etwas größere“ Haus.
Schade, dass die Götter auch hier nicht für Gleichberechtigung gesorgt haben.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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