Predigt eines kirchlichen "Laien" zu den Seligpreisungen (Autor Manfred Hermanns)

Predigt nach Matthäus 5,3-12

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Die Seligpreisungen gehören zu den Texten, die die Menschheit seit Jahrhunderten begleiten und bewegen. Die Seligpreisungen leiten die Bergpredigt Jesu programmatisch ein. Sie finden sich bei Matthäus und Lukas. Bei Matthäus finden sich 9 Seligpreisungen. Nach der modernen Bibelexegese können wir davon ausgehen, dass die Seligpreisungen auf Originalworte Jesu zurückgehen. Bei Matthäus sind sie herzlicher, inniger wiedergegeben, möglicherweise entsprechen sie dort mehr dem Tenor und Geist Jesu.

Bei Matthäus sind die Seligpreisungen an die Jünger gerichtet, was nicht heißt, das sie nur den 12 Aposteln vorgetragen wurden. Acht Seligpreisungen sind in der 3. Person formuliert wie „Selig sind die Armen im Geiste“, nur die 9. Seligpreisung wendet sich unmittelbar an die Jünger: „Selig seid ihr, wenn ...“
Wer sind die geistig Armen, von der in der 1. Seligpreisung die Rede ist? Sind es die Armen, die nicht wissen, wie sie morgen ihr Leben fristen sollen, die hungern, kein Dach über ihrem Kopf haben, die keine ausreichende Kleidung haben? Oder sind es die geistig Behinderten, die Deprimierten, die bei uns zur Therapie geschickt werden, die keinen Status in der Leistungsgesellschaft haben?
Es läßt sich aber auch die Übersetzung aus dem griechischen Originaltext finden: Selig sind die, die arm sind vor Gott, d.h. doch wohl die Demütigen, die Gott gegenüber nicht auf große ethische, religiöse oder berufliche Leistungen pochen, die klein werden vor Gott. Ihnen wird das Himmelreich versprochen genau so wie denen aus der 8. Seligpreisung: „Selig sind die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten“. Wer sich für Gerechtigkeit in dieser Welt einsetzt, kann nicht immer mit Lob und Belohnung oder gar mit einem Bundesverdienstkreuz rechnen, sondern wird oft benachteiligt. Wer sich für Juden in der Zeit des Nationalsozialismus eingesetzt hat, wurde selbst verfolgt. Die Verheißung des Himmelreiches ist zentrale Botschaft. Himmelreich und Gerechtigkeit sind zentrale Begriffe in der Lehre Jesu. Jesus ist in die Welt gekommen, um das Gottesreich mit seiner Gerechtigkeit zu verkünden. Gerechtigkeit hat hier eine tiefere Dimension als soziale Gerechtigkeit, die in unserer Sozialpolitik eine so große Rolle spielt. Durch Gottes Gerechtigkeit wird der Mensch recht und gerecht vor Gott.

Selig sind die Trauernden. Es ist schwer, Trauer und Leid zu ertragen. Viele sind traurig, weil sie einen lieben Angehörigen verloren haben, andere sind traurig, weil sie beobachten, dass einem Menschen in ihrer Umgebung, an ihrem Arbeitsplatz Unrecht zugefügt wird. Allen wird von Jesus zugesagt: „Sie werden getröstet werden“ - vielleicht nicht immer sofort, aber mit der Zeit und mit der Hilfe Jesu.

Selig sind die Barmherzigen. Können wir mit diesem Begriff noch etwas anfangen? Ich habe den Eindruck, die Begriffe „barmherzig“ und „Barmherzigkeit“ haben wir aus unserer Sprache verdrängt. Mich hat immer erschreckt, dass Barmherzigkeit in keinem Lexikon der sozialen Arbeit zu finden ist. Im Wort Barmherzigkeit steckt bearmen und Herz. Wir vertrauen auf Wohlfahrtsverbände wie den Caritasverband, das Diakonische Werk oder die Arbeiterwohlfahrt. Jesus gibt sich damit nicht zufrieden, er erwartet von jedem Gemeindemitglied die herzliche Zuwendung zu den Mitmenschen, dass wir den Trauernden und Bedürftigen in den Arm nehmen, umarmen mit dem Herzen, nicht allein mit funktional technischen Beratungsmethoden und Geld, mögen diese mitunter zusätzlich erforderlich sein.

Selig sind die, die reinen Herzens sind. Was haben wir Reinheit verengt, auf saubere Hände, reines Waschpulver oder die Einhaltung des sechsten Gebotes. Reinheit des Herzens meint doch wohl, dem Mitmenschen ohne Argwohn, ohne voreiligen Verdacht, ohne Unterstellungen und Falschheit zu begegnen, den Mitmenschen nicht zum Objekt meiner Wünsche, Bedürfnisse, meines Machtanspruchs zu degradieren. Wer dem Mitmenschen rein begegnet, wird auch Gott schauen. Er kann ihm frei und unbeschwert entgegentreten.

Die nächste Seligpreisung schließt sich konsequent an: „Selig sind die Friedensstifter.“ Nur wer ohne Argwohn und Falschheit und in Offenheit dem Anderen begegnet, kann auch Frieden stiften, Frieden in der Familie, in der Nachbarschaft, im Betrieb, schließlich auch in der Politik. Frieden lässt jedem sein eigenes Recht zukommen, versucht, Verletzungen zu vermeiden, vermittelt zwischen verschiedenen Ansichten, Perspektiven, Philosophien, Konfessionen und Religionen.

Die 9. Seligpreisung ist hochaktuell: „Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und fälschlich alles Böse nachsagt um meinetwillen:“ In erster Linie ließe sich hier denken an Christen in islamischen Ländern, insbesondere im Iran und im Irak, in Nordnigeria, die Kopten in Ägypten. Christen werden aber auch bei uns im scheinbar so toleranten Westeuropa zunehmend geschmäht, als altmodisch verlacht für ihre angeblich unzeitgemäßen Urteile und Auffassungen. Wer sich heute gegen Abtreibung ausspricht, bezweifelt, dass dies ein Menschenrecht sei, wer sich Kreuze in Schulen und Gerichtssälen wünscht, wird als jemand betrachtet, der außerhalb der gesellschaftlichen Normen steht. Aber auch hier macht uns Jesus Mut: „So haben sie auch schon die Propheten verfolgt, die vor euch waren.“ Ihr steht in einer großartigen Tradition, lasst euch nicht unterkriegen. Christ sein sein mag für Zeitgenossen eine Provokation sein. Aber sie lohnt sich. Freuen wir uns über die Seligpreisungen und das, was uns verheißen ist.

Amen

Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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