Hoffnung für einen Leukämiepatienten kommt aus Bad Friedrichshall

Matthias Kocher spendet bei der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld Stammzellen, um einem fremden Leukämiepatienten zu helfen.
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Ein kleiner Piek vor drei Jahren war Matthias Kochers erster Schritt auf dem Weg zum Lebensretter. In der Karwendel-Kaserne in Mittenwald ließ sich der 25-Jährige aus Bad Friedrichshall (Kreis Heilbronn) 2011 als Stammzellspender bei der Stefan-Morsch-Stiftung registrieren. Vor kurzem hat der Elektroniker den zweiten entscheidenden Schritt getan: Er hat seinem an Leukämie erkrankten genetischen Zwilling, einem ihm völlig fremden Menschen, mit einer Stammzellspende die Chance gegeben, den Blutkrebs zu besiegen: „Ich hoffe, dass es dem Patienten bald besser geht.“

Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die Stiftung seit fast 30 Jahren Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist es, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender zu registrieren. Beinahe täglich sind Teams der Stiftung in ganz Deutschland unterwegs, um junge Menschen als Stammzellspender zu gewinnen. So werden etwa zusammen mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr in verschiedenen Kasernen die Soldaten über diese Chancen der Stammzellspende aufgeklärt.

Matthias Kocher leistete im Frühling 2011 als einer der letzten den Pflichtwehrdienst in der Kaserne in Mittenwald ab und ging dort zur Blutspende. Als Mitarbeiter der Stiftung die Typisierung vorstellten, überlegte er nicht lange: „Ich wollte mich anmelden, weil man so einem Menschen helfen kann“. Um sich als möglicher Lebensretter bei der Stefan-Morsch-Stiftung zu registrieren, lässt er sich eine Blutprobe abnehmen. So viel wie in einen Fingerhut passt. Eine Sprecherin der Stiftung erklärt: „Das Blut wird in unserem hauseigenen Labor auf die transplantationsrelevanten Gewebemerkmale, die HLA-Werte, untersucht.“ Die Daten werden dann anonym im deutschen Zentralregister des ZKRD gespeichert. Dort laufen die Suchanfragen aus aller Welt auf. Gibt es eine Übereinstimmung von Kochers Merkmalen mit den Daten eines Patienten, wird die Stammzellspenderdatei informiert, die sich dann mit dem Spender in Verbindung setzt.

Mittlerweile ist Matthias Kocher als Elektroniker für Betriebstechnik bei der TCS Tank Cleaning Solutions GmbH in Heilbronn angestellt. „Das ist ein kleines Unternehmen, das Tankinnenreinigung anbietet, zum Beispiel für LKWs, die in einem Tank Ladung transportieren. Außerdem haben wir noch eine Zugwaschanlage. Zu beidem gehört eine entsprechende Wasser- und Abwassertechnik. Ich programmiere die Steuerung der Anlagen“, erklärt Kocher. Auch in seiner Freizeit Interessiert er sich für PC-Programmierung: „Ich probiere da alles aus“, sagt er.

Anfang 2014 ruft ihn eine Mitarbeiterin der Stefan-Morsch-Stiftung an: Der Vater einer zweijährigen Tochter kommt als Spender in Frage, ob er zur Stammzellentnahme bereit wäre. „Ich war aufgeregt. Ich wusste noch nicht genau, was auf mich zukommt und wie alles abläuft. Eigentlich war klar, dass ich helfen wollte, aber ich habe schon hin- und her überlegt“, gibt Kocher zu. Seine Frau und seine Eltern finden es gut, dass er sich engagiert. Doch anfangs machte sich die Mutter Sorgen: „Sie dachte es ginge um Rückenmark. Deswegen hatte sie erst mal panische Angst. Ich hab ihr dann erklärt, dass Stammzellen nichts mit Rückenmark zu tun haben.“ Sein Chef und die Arbeitskollegen bestätigten ihn und stellten ihm viele Fragen. „Dass ich von meinem Umfeld so viel Zuspruch bekommen habe, hat mich in meiner Entscheidung bestärkt“, erzählt er.

Bevor der begeisterte Radfahrer Stammzellen spenden durfte, wurde er umfangreich aufgeklärt und genau untersucht. Diese Voruntersuchungen dienen dazu herauszufinden, ob er wirklich der optimale Spender ist. Gleichzeitig soll ausgeschlossen werden, dass Kocher ein gesundheitliches Risiko eingeht. Die Mitarbeiter der Stiftung beraten und begleiten ihn während dieser ganzen Vorbereitungsphase. Jegliche Kosten für die Untersuchungen, die Versicherung sowie An- und Abreise zum Entnahmeort werden übernommen.

Dann beginnt die entscheidende Phase vor der Transplantation: Mit der Übertragung von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird.

Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – entnehmen die Mediziner Knochenmark aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Weder der Spender noch der Patient erfahren zu diesem Zeitpunkt, wer der andere ist. Matthias Kocher und sein Empfänger bleiben in jedem Fall bis zum Ablauf von zwei Jahren anonym. Erst danach besteht die Möglichkeit, je nach Gesetzeslage des Landes, in dem der Patient lebt, dass Spender und Patient einander kennenlernen können.

Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg: Parallel zur Vorbereitung von Matthias Kocher wird in der behandelnden Transplantationsklinik der Patient vorbereitet. Das bedeutet: Das Immunsystem des Empfängers wird stark unterdrückt oder sogar ausgelöscht – durch Bestrahlung oder/und Chemotherapie. Wenn er sich jetzt mit einem Virus infiziert oder es aus irgendeinem Grund mit der Stammzellspende nicht klappt, ist sein Leben massiv gefährdet.

Der 25-Jährige hat per Apherese gespendet. „Ich wusste zuerst nicht, dass ich mich vor der Apherese spritzen musste. Ich habe panische Angst vor Spritzen. Die Stiftung hat dann einen Pflegedienst organisiert. Zweimal am Tag kam jemand vorbei und hat mir die Spritzen injiziert. Das hat gut geklappt.“ Die Entnahme hat er gut überstanden: „Es ging besser, als ich gedacht hatte. Ich war heute Morgen nicht aufgeregt, erst als ich auf der Liege saß. Das Wichtigste ist, dass es dem Menschen wieder besser geht und er wieder gesund wird. Ich würde ihm auch wieder helfen.“

Antworten auf die häufigsten Fragen rund um das Thema Stammzellspende:

Wie wird man online zum Lebensretter?
Die aktuellen Termine für die Typisierungsaktionen der Stefan-Morsch-Stiftung findet man auf der Internetseite (www.stefan-morsch-Stiftung.de). Zudem gibt es die Möglichkeit, sich über die Homepage online registrieren zu lassen. Auf der Startseite ist der Online-Registrierungsbutton. Dort findet man Informationen über die Chancen und Risiken und über die Ausschlusskriterien. Es ist wichtig, diese Information vor dem Ausfüllen der Einverständniserklärung durchzulesen. Wer sein Einverständnis gegeben hat, bekommt ein Entnahmeset zugesandt. In dem Päckchen ist das entsprechende Material, um sich bei seinem Hausarzt eine Blutprobe entnehmen zu lassen. Dieses Päckchen wird dann einfach an die Stefan-Morsch-Stiftung zurückgesendet. Weitere Informationen bekommen Sie über unsere gebührenfreie Hotline (08 00 - 766 77 24) oder über die Homepage. Zudem bleiben wir gerne über unsere Facebookseiten mit Ihnen in Kontakt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient einen passenden Spender findet?
Die Wahrscheinlichkeit, für einen Patienten einen kompatiblen Stammzellspender zu finden, liegt in der Größenordnung von 1:10.000 und 1:1.000.000 und ist abhängig von den Gewebemerkmalen (HLA-Merkmalen) des Patienten. Je genauer die Übereinstimmung zwischen den Merkmalen dieses DNA-Teilstückes des Spenders und denen des Patienten ist, umso größer sind die Erfolgsaussichten für eine Stammzelltransplantation.

Ich bin bereits typisiert. Soll ich nochmal?
Wer bereits typisiert ist, sollte sich nicht noch einmal registrieren lassen. Egal, wo er registriert ist, die Daten aller Stammzellspenderdateien stehen anonymisiert über das deutsche Zentralregister des ZKRD für weltweite Suchanfragen zur Verfügung. Wer mehrfach registriert ist, würde als Mehrfach-Treffer erscheinen und so zunächst den Eindruck erwecken, es gäbe mehrere Spender zur Auswahl. Letztendlich wäre das eine trügerische Hoffnung. Wer schon typisiert ist, sollte jedoch überlegen, ob die Spenderdatei noch die aktuellen Kontaktdaten hat.

Sollten Sie noch Fragen haben – die Stefan-Morsch-Stiftung ist unter der gebührenfreien Hotline 08 00 - 766 77 24 oder über info@stefan-morsch-stiftung.de erreichbar. Auf der Homepagewww.stefan-morsch-stiftung.de oder via Facebook kann man sich ebenfalls informieren.

Die Stefan-Morsch-Stiftung
Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die gemeinnützige Stiftung seit 1986 Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. So werden täglich Stammzell- oder Knochenmarkspender aus der stiftungseigenen Spenderdatei von ca. 380 000 potentiellen Lebensrettern weltweit vermittelt. Die Stiftung ist Mitglied der Stiftung Knochenmark- und Stammzellspende Deutschland (SKD).

Matthias Kocher spendet bei der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld Stammzellen, um einem fremden Leukämiepatienten zu helfen.
Bei Fragen zu Typisierung und Stammzellspende sind Mitarbeiter der Stefan-Morsch-Stiftung unter der gebührenfreien Hotline 0800 - 76 67 724 erreichbar.
Bürgerreporter:in:

Annika Zimmer aus Birkenfeld

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