Vom Schrottplatz auf die Strasse - ein fast vergessener Oldtimer

Der erste Eindruck war nicht schlecht
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14.5.2014, Wolfhagen

Als ich im Mai 2014 am Schrottplatz in Wolfhagen vorbei fuhr, traute ich meinen Augen nicht. Den Wagen hatte ich lange nicht mehr gesehen, und schon gar nicht auf der Strasse. Von der Neugier gepackt, hielt ich an und stieg aus. Ein richtiger Mercedes Bus der ersten Stunde, wenn auch aus einem der letzten Baujahre. MB 206 D, der Vorläufer vom MB 100 und Nachfolger einer traditionsreichen Familie aus dem Hause Hanomag Hentschel, Baujahr 1976 und noch mit einigen Tagen TÜV (!!). Unter seinen Vorfahren sticht besonders der Tempo Matador aus den 50er und 60er Jahren heraus, weil er auch die Zeit des Wirtschaftswunders und der Mobilität vertritt.
Nun , dies hier ist und bleibt aber ein Mercedes. In den 60er Jahren kaufte Mercedes die kränkelnden Firmen Hanomag und Hentschel auf, weil es im eigenen Hause noch keine Konkurrenz Produkte zum VW Bully gab. Hier hatte man zumindest einen relevanten Vertreter mit gutem Leumund und ohne Entwicklungskosten erstanden. Der Hanomag F20/25/30 bzw. dann auch der MB 206 und 306 hatte auch einige Vorteile gegenüber dem VW. Seine Ladefläche war flach und durchgehend, die Ladekante tief und man hatte ca. 1 Tonne Zuladung. Zudem hat der Wagen Frontantrieb und war im Winter auch ohne Beladung ein guter Begleiter. In den 70er Jahren konnte man den Wagen als Hanomag oder Mercedes bestellen, die Technik blieb gleich. Es gab einen Benzinmotor und einen Dieselmotor.
Das Ende der 206er Baureihe wurde dann 1977mit dem Bau des neuen 207D/307D besiegelt. Sein adäquater Nachfolger betrat mit eckigem Kleid, aber sehr ähnlichem Antriebsstrang, Fahrwerk und Rahmen erst 1986 das Licht der Autowelt – der MB 100.
Zurück zum Wolfhager Schrottplatz. Ich konnte das Auto unmöglich da stehen lassen. Eine WhatsApp mit Foto an meinen Sohn bestätigte das vehement. Der Preis war schnell erfragt und wir zogen den Wagen, der gerade mal zwei Tage hier stand und sein Leben quasi schon beendet hatte, mit dem Radlader an. Der Anlasser funktionierte nicht. Nach dreimaligem Versuch, gelang der Motorstart und ich konnte die rote Nummer montieren und nach Hause fahren. Der Verkehr hinter mir hatte anfänglich ein wenig mit aufkommenden Nebel zu kämpfen, doch nach einigen Kilometern lief der Motor einwandfrei. In Landau angekommen , mußte der 206 erst einmal einige Tage warten, bis der Plan zur Wiederherstellung seiner vollen Fahrtauglichkeit ausgearbeitet war.

17.6.2014, Landau

Mitte Juni 2006 fingen die Arbeiten an. Mein Sohn kämpfte sämtliche Rostecken frei und zerlegte die Karosserie, bis nur noch der reine Aufbau auf den Rädern stand. Rahmen, Achsen, Motor und Getriebe blieben freilich an ihrem Platz. Dann begann der schmerzhafte Weg, sämtliche Spachtelklumpen aus den Radläufen, den vorderen und hinteren Ecken, sowie den Türen zu entfernen. Es war ein Bild des Grauens und wenn man nicht einige Euro für den Ankauf hingeblättert hätte, so hätte man in diesem Moment, den Wagen, ohne mit den Wimpern zu zucken, dem nächsten vorbeifahrenden Schrotthändler gern wieder mitgegeben. Aber das war ja nicht der Sinn der Sache.
Ich machte mich daran, ohne Reparaturbleche, die Karosserie in ihre etwaige Ausgangsform zurück zu modellieren. Einige Quadratmeter Stahlblech, eine Flex, ein Hammer und ein wenig Geschick sollten ausreichen, die Form wieder herzustellen. Aber einige Kanten und Formen erwiesen sich als schwierig und so war schnell war der Entschluß gefaßt, den zweiten MB 206, der mit abgeschnittenem Rahmen als Doppelkabine ebenfalls noch in Wolfhagen lag, anzukaufen. Gesagt getan. DoKa, Motor, Getriebe, Vorderachse und einige Kleinteile wurden am Ende dringend gebraucht – doch davon später mehr.

2.7.2014

Die Wochen (-enden) gingen dahin, der rechte vordere Türeinstieg, das Bodenblech der Beifahrerseite und die Radlaufecke an der Beifahrertür waren schwieriger als gedacht. Das untere rechte Seitenteil und der Radlauf hinten rechts folgten. Dann mußte das Heck wieder dicht werden. Aus dem Innenraum heraus, hätte man an beiden hinteren Ecken einen Kasten Bier herausreichen können, ohne die Heckklappe zu öffnen. Unter Zuhilfenahme einiger schön gebogener Blechteile aus der DoKa gelang das unmögliche. Es war inzwischen August und die Lust auf Roststaub, schweißen und Schweiß verging mir zusehends. Doch wer „A“ sagt muß auch den Benz fertig machen.
Der eigentliche Plan, das Auto noch im August dem TÜV vorzuführen scheiterte an den Arbeiten, die nicht von vorneherein zu sehen waren. Plan B. Die Verschlußhebel der Dreiecksfenster waren fest und weigerten sich, beweglich zu sein. Die durchgescheuerten Anlasserkabel verhinderten das Anspringen auf dem Schrottplatz, eine defekte Vorglühanlage ebenfalls. Der Kühlergrill mußte repariert werden. Zum Glück besteht dieser aus Metall, ich habe ihn wieder zusammengeschweißt.
Mein Sohn hatte in der Zwischenzeit die Bremsen und die Radlager gereinigt und eingestellt, auch die Dreiecksfenster, die Kabelage, sowie die Entrostung der Stoßstangen haben ihn eine Weile beschäftigt. Scheinwerferblenden, Lampenfassungen, Scheibenwischer und Felgen benötigten ebenfalls dringend unsere Aufmerksamkeit. Im September war Urlaub angesagt und eigentlich sollte das gute Stück die Scheune verlassen, bevor der erste Schnee ins Land kam. Der Elan aber war am unteren Ende der Skala angekommen.

24.9.2014

Nach dem Urlaub ging es dann aber noch einmal richtig zur Sache. Mein Sohn hatte in der Zwischenzeit die Fenster, deren Dichtungen und die Türen gereinigt und vorbereitet. Die vorderen Türen gelangten wegen des guten Zustandes, aus der DoKa, die ehedem in Schweden zugelassen war, in unseren Transporter. Da für eine Lackierung keine ausreichenden Geldmittel zur Verfügung standen, ist er den Wagen dann gestrichen worden. Wir fanden, das tut der eigentlichen Sache keinen Abbruch – lackieren kann man immer nochmal, wenn´s denn muß.
Einiges hatte ich vor dem Urlaub nicht mehr geschafft. Die nach oben schwingende Hecktür verlangte mehr als eine einfache Reinigung. An der oberen Kante, wo auch die Scharniere angeschlagen waren, gab es nur noch wenig Außenblech. Die Falz für das Scheibengummi war nahezu ganz wegoxidiert. Trotzdem gelang die Reparatur. Auch die festgefressenen Scharniere mußten instandgesetzt werden. Ist ja schließlich kein Neuwagen mehr, aber eine funktionierende, reparierte Hecktür ist allemal besser als gar keine Hecktür. Spaltmaße werden in der heutigen Zeit sowieso viel zu hoch bewertet.
Der Laderaum bekam einen neuen Boden, der Tankgeber einer Wartungsklappe und die geschweißten Stellen Spachtelmasse. Ich bin kein guter Spachtler, aber nach dem Grundieren sah man, das die Karosserie wieder ihre ursprüngliche Materialdichte und Form angenommen hatte.

5.10.2014

Das letzte Blech mußte dann noch in den Fahrerfußraum, war aber am Ende keine Zauberei mehr.

11.10.2014

Etwas wichtiges fehlte noch, bevor das Roll-out kam. Sämtliche vier vorderen Sitze, die wir hatten waren marode, oder nicht original. Es gab einen zerschlissenen Volvo Ledersitz , zwei Öl und Dreck gesättigte Sitze unbekannter Herkunft und einen originalen, aber nicht mehr zu gebrauchenden Beifahrersitz. Ich besaß noch zwei Opel Manta Recarositze mit braun-gelbem Karomuster und eine Aufnahme für diese Sitze auf der originalen Konsole anzubringen, erforderte nur etwa eine Stunde Arbeit.
Dann war es soweit. 12.Oktober 2014, Luft aus den Reifen, die Dachluke noch nicht eingebaut fuhr das Auto, das inzwischen „Möhre“ getauft worden ist, aus eigener Kraft aus der Scheune! Alles war gut, so schien es zumindest. Doch die anschließende längere Probefahrt brachte eine klemmende oder gänzlich nicht mehr funktionierende Kupplung zum Vorschein. Wenn man nicht schon soviel an dem Auto gemacht hätte…..

18.10.2014, Wolfhagen

Ab auf die Grube und den Motor ausbauen. Die mühevoll angepaßte Stoßstange, den Kühlergrill und vieles weiteres abmontieren. Mit dem Hubwagen kam der Motor zum Vorschein und mit ihm die Kupplung. Der Kupplungsautomat war festgeklemmt, das Ausrücklager dem Zerfall nahe, aber die Mitnehmerscheibe noch in Ordnung. Was nun? Im Forum habe ich erfahren, das es im freien Handel, also auch bei Mercedes keine Kupplungsteile mehr zu kaufen gibt. Mercedes will auch ansonsten mit diesen Exoten aus früheren Zeiten nichts mehr zu tun haben - das Auto wurde während der Bauzeit schon nicht geliebt, warum sollte man also jetzt Ersatzteile dafür vorrätig haben? Jetzt kommt die Schweden DoKa wieder ins Spiel. Die Hoffnung, das die kaputten Teile unserer Kupplung mit den vielleicht noch funktionierenden Schwedenteilen zu ersetzen sind, stellte sich als Zutreffend heraus. So fanden die Druckplatte und das Ausrücklager aus Schweden den Weg in die „Möhre“. Dafür war deren Mitnehmerscheibe ölig….man muß auch mal Glück haben. Also alle Schrauben ordentlich festziehen und Motor wieder einbauen. Das entlüften der hydraulischen Kupplung war am Ende dann noch einmal eine kleine Herausforderung. Nach insgesamt 6 Stunden Samstagsarbeit stand dann endlich die Probefahrt an – alles funktionierte wieder einbeinfrei!
Jetzt fehlte nur noch der TÜV Stempel. Am Montag, den 20.10. schaffte die Möhre auch diese Hürde ohne größere Probleme, das „H“ für historisch stand ja auch schon im Brief. Zulassung am 22. Oktober, die ersten Tausend Kilometer am 10. November.
Wenn das keine erfolgreiche Wiederbelebung eines tot gesagten ist……

Bürgerreporter:in:

R. B. aus Bad Arolsen

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